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Wirtschaft: Softwareindustrie: Die Lipro AG wartet auf frisches Geld

Die Zukunft der Berliner Lipro AG hängt von der Finanzierungsbereitschaft der Banken ab. Der Berliner Hersteller für Logistik-Software muss nach dem endgültigen Geschäftsbericht mehrere Niederlassungen schließen und fast ein Drittel der Mitarbeiter entlassen.

Die Zukunft der Berliner Lipro AG hängt von der Finanzierungsbereitschaft der Banken ab. Der Berliner Hersteller für Logistik-Software muss nach dem endgültigen Geschäftsbericht mehrere Niederlassungen schließen und fast ein Drittel der Mitarbeiter entlassen. Noch Anfang März war die Welt der Lipro AG scheinbar in Ordnung. Bei einer Pressekonferenz in Frankfurt konnte der Vorstandsvorsitzende Dieter Küchler genug gute Stimmung verbreiten, um den gebeutelten Kurs des Softwarehauses gegen den Markttrend ein wenig zu stabilisieren. Liquidität sei ausreichend vorhanden, erklärte er damals.

Doch dann ging es Schlag auf Schlag. Dass das ostdeutsche Unternehmen keineswegs so flüssig sei, wie vom Management behauptet, war in verschiedenen Publikationen nachzulesen. "Was da behauptet wurde, grenzt an Rufmord", so der Vorstandsvorsitzende Küchler. Adressat seines Zornes ist vor allem das Magazin "Focus", die im März den Brief eines ehemaligen Beraters an den Aufsichtsrat abdruckte. Von "existenzbedrohenden Liquiditätsproblemen" war da die Rede.

In der Folge wurde eine Diskussion über Lipro angefacht, die nach Küchlers Ansicht nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war und auch die Wirtschaftsprüfer von Arthur Andersen nicht unbeeindruckt ließ. Ob dies so ist, ist kaum nachprüfbar. Tatsächlich ließen sie am vorläufigen Geschäftsbericht für das Jahr 2000 nur wenig Gutes. Nach dem vorläufigen Vorsteuerergebnis von 2,4 Millionen Mark korrigierten sie das Ergebnis deutlich ins Minus. Demnach machte das international agierende Unternehmen im Jahr 2000 25,6 Millionen Mark Verluste, 1999 beliefen sich die Verluste auf 2,4 Millionen Mark.

Als wichtigster Grund für die Neubewertung wird von den Prüfern das für die Zukunft anvisierte Geschäft mit Russland genannt. Im Tausch gegen Lizenzrechte hatte sich die Lipro AG von russischen Systemhäusern exklusive Marktrechte zusichern lassen. Geld ist bei diesem Geschäft bisher nicht geflossen. Ob dies in absehbarer Zeit geschehen wird, zweifeln die Finanzfachleute an. Die dafür von Lipro angesetzten 22 Millionen mussten von der Aktivseite der Bilanz genommen werden. Kritik gab es auch an der Werthaltigkeit des Produktes. Nicht alle sind von der Marktfähigkeit der Logistik-Software überzeugt.

Für den Vorstandvorsitzenden Küchler hat sich trotz Korrektur der Wirtschaftsprüfer nichts an den guten Geschäftsaussichten geändert. Bereits in diesem Jahr würden ausserordentliche Erträge aus dem Russland-Geschäft erwartet. Die Lipro-Produkte seien innovativ und würden schon bald stark nachgefragt.

Den Banken wurde ein Sanierungskonzept vorgelegt, das vor allem die Einsparung von 96 auf dann 241 Mitarbeitern und die Fokussierung auf den Kernbereich "E-Manufacturing" vorsieht. Niederlassungen in Polen, Tschechien und der Schweiz werden geschlossen. Nur in Russland und den USA bleibt Lipro weiter präsent. Auch die Unternehmensspitze formiert sich neu. Finanzvorstand Reinhard Kramer, seit Anfang März mit dieser Aufgabe betraut, muss seinen Schreibtisch zum 31. Mai wieder räumen. Und um die Unternehmenskommunikation will sich Vorstandsvorsitzender Küchler zukünftig selbst kümmern.

Die gravierenden Veränderungen will Küchler nicht nur als Reaktion auf die Krise sehen. "Eine Verschnaufpause war ohnehin notwendig", erklärt der Vorstandsvorsitzende. Eine Expansion wie im vergangenen Jahr wäre auf Dauer nicht gesund für sein Unternehmen. Lipro hatte im vergangenen Jahr vier Unternehmen dazu gekauft, darunter das IT-Systemhaus Alexander Quien in Hannover, das mit rund 6000 Kunden in Deutschland den Verkauf der Lipro-Software anschieben sollte.

Im Sanierungskonzept blickt die Lipro wieder sehr optimistisch in die Zukunft. Für das laufenden Jahr erwartet der Software-Hersteller einen Umsatz von 70,2 Millionen Mark und einen Gewinn vor Steuern von 18 Millionen Mark. Denn an der Qualität seiner Produkte sei nicht zu rütteln, glaubt der Lipro-Chef. Außerdem stünden vielen mittelständischen Unternehmen Umstellungen auf eine moderne Logistik-Software bevor. Weil das die Kunden des Softwarehauses von morgen sind, wird Lipro von diesem Boom profitieren, so Küchler. An diese Prognose müssen zunächst die Banken glauben. Ob die Liquidität von Lipro wieder hergestellt wird, entscheidet sich nach Auskunft von Küchler in diesen Tagen.

Barbara Münzer

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