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Protest: Die spanischen Bürger haben die Nase voll. Sie wollen nicht für die Misswirtschaft ihrer Banken haften. Foto: dapd

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Wirtschaft: Spanien soll bis zu 100 Milliarden Euro bekommen

Europa bietet seiner viertgrößten Volkswirtschaft Hilfe für die angeschlagenen Banken des Landes.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Nach massivem Druck der Euro-Partner sucht Spanien Schutz unter dem Rettungsschirm. Die Regierung werde Hilfe für ihre angeschlagenen Banken beantragen, kündigte Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Samstagabend auf einer Pressekonferenz an. Die Euro-Gruppe will zur Rettung der Geldhäuser bis zu 100 Milliarden Euro bereitstellen, verlautete aus europäischen Diplomatenkreisen. Im Rettungsfonds EFSF sind derzeit noch 250 Milliarden Euro verfügbar.

Die viertgrößte Volkswirtschaft in Europa wäre somit nach Griechenland, Irland und Portugal das vierte Land, das Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds erhält. Allerdings soll Spanien kein strenges Sparprogramm im Gegenzug für die Hilfen abverlangt werden. Das Land ist finanziell in Bedrängnis geraten, weil es die Bankenbranche vor dem Zusammenbruch bewahren muss. Die Kreditinstitute leiden unter der geplatzten Immoblien- und Kreditblase.

Für solche Fälle kann der Euro-Rettungsfonds EFSF gezielt Hilfen zur Rekapitalisierung von Banken vergeben, die an weniger strenge Auflagen als etwa die Hilfen für Griechenland geknüpft sind. Dieses vor knapp einem Jahr beschlossene Instrument des EFSF wurde bislang noch nicht angewendet. „Es wird kein volkswirtschaftliches Anpassungsprogramm geben, weil das nicht notwendig ist“, sagte ein Vertreter eines Euro-Landes. Bei den Auflagen gehe es um eine „Gesundung“ des spanischen Bankensektors, hatte der Diplomat zuvor gesagt. Spanien solle einen Plan „nach Maß“ erhalten, hieß es in Brüssel.

Am Nachmittag hatten die Euro-Finanzminister und die Chefin des Internationale Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, gut zweieinhalb Stunden am Telefon über die Krise beraten. Anders als bei früheren Hilfsaktionen wird sich der IWF nicht finanziell beteiligen, hieß es aus Verhandlungskreisen. Er übernimmt aber eine Rolle bei der Überwachung.

Nach Einschätzung des IWF brauchen die spanischen Banken „mindestens 40 Milliarden Euro“. Das sei jedoch nur die untere Grenze. Häufig sei das 1,5- bis Zweifache notwendig, um Geldhäuser krisenfest zu machen. Insgesamt sollen in den Bankbilanzen Immobilien im Nominalwert von 184 Milliarden Euro stehen, deren Marktwert nach dem Platzen der Immobilienblase 2008 als ungewiss gilt. In zwei Wochen könnte man mehr wissen: Dann werden zwei Wirtschaftsprüfungsunternehmen einen Bericht zur Lage der Banken vorlegen. Sie sollen den Finanzbedarf im Auftrag der spanischen Regierung ermitteln.

Bislang stützt die spanische Regierung den kriselnden Bankensektor mit Milliardenbeträgen, um seinen Zusammenbruch zu verhindern. Madrid hatte in den letzten Tagen wiederholt betont, keine Mittel aus dem EFSF in Anspruch nehmen zu wollen, sondern die Krise allein in den Griff bekommen zu wollen. Hintergrund war die Sorge der Spanier vor den Auflagen des EFSF in einem Restrukturierungsprogramm. Europäische Politiker hatten daraufhin ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, die Krise der spanischen Banken könnte auch auf den Madrider Staatshaushalt übergreifen und am Ende zu einer Krise Spaniens insgesamt führen.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte, dank der bisherigen Reformen seien die größten spanischen Banken gut durch die Krise gekommen und stünden stabil da. „Ein Teil des Finanzsektors muss jedoch noch die Nachwirkungen des Platzens der spanischen Immobilienblase verarbeiten, was aufgrund der damit erforderlichen Abschreibungen zu einem nicht unerheblichen Kapitalbedarf führt“, ließ Schäuble mitteilen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Währungskommissar Olli Rehn begrüßten in einer gemeinsamen Erklärung, dass Spanien um Hilfe für seinen Finanzsektor gebeten habe und sicherten die Unterstützung der EU-Kommission zu. „Wir sind sicher, dass Spanien schrittweise das Vertrauen der Investoren und Martkteilnehmer zurückgewinnen kann.“

Mehrere deutsche Politiker hatten der spanischen Regierung am Wochenende empfohlen, europäische Hilfe anzunehmen. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte: „Wenn Spanien bei der Bankenstabilisierung Hilfe benötigt, sollte es diese zügig bei dem EFSF beantragen – das Instrumentarium dazu ist da“. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warnte Spanien davor, sich zu spät unter den europäischen Schirm zu begeben. Der SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider sieht die Sonderbehandlung Spaniens kritisch. Madrid müsse genauso wie alle anderen Antragsteller ein Restrukturierungsprogramm abarbeiten.

Die geplante Unterstützung Spaniens ist jedoch nur ein Schritt zur Stabilisierung der Euro-Zone. Nach Informationen des Magazins „Der Spiegel“ schreiten auch die Arbeiten an einer Fiskalunion voran. Die Euro-Staaten sollen nach Plänen von Europäischen Union und der Europäischen Zentralbank künftig keine Schulden mehr ohne Zustimmung der gesamten Eurogruppe aufnehmen können. Frei verfügen sollten die Regierungen nur noch über die Finanzmittel, die durch eigene Einnahmen gedeckt seien, zitierte das Magazin am Samstag aus einem Reformplan von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, EU-Ratspräsident Herman von Rompuy, Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker und EZB-Chef Mario Draghi für eine weiter entwickelte Fiskalunion. mit AFP, dpa

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