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Wirtschaft: SPD denkt an Verschiebung der Bahn-Pläne

Verkehrsexperte Beckmeyer warnt vor „Verschleuderung von Vermögen“ – die Union wartet ab / Fachleute sehen hohe Haushaltsrisiken

Berlin - Die SPD hat eine Privatisierung der Deutschen Bahn erst nach dem Jahr 2008 ins Gespräch gebracht. „Man muss das als Alternative sehen“, sagte Uwe Beckmeyer, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, dem Tagesspiegel nach der Expertenanhörung des Bundestags-Verkehrsausschusses. „Die Wahrscheinlichkeit eines Börsengangs der Bahn hat heute eher einen Malus als einen Bonus erhalten.“ Zuvor hatten die geladenen Fachleute davor gewarnt, die Bahn samt Netz zu verkaufen. Dies berge enorme Risiken für den Steuerzahler und bremse den Wettbewerb. Zudem sei fraglich, ob der Staatskonzern wirtschaftlich überhaupt reif sei für einen Börsengang.

Die Anhörung hat Beckmeyer zufolge „eine Reihe neuer Fragen aufgeworfen“. So berücksichtige die Bahn in ihren Bilanzen nicht die Investitionen der vergangenen Jahre in die Schiene. Diese hatte im Wesentlichen der Staat bezahlt, die Bahn hatte nur einen kleinen Anteil beigesteuert. „Wir dürfen nicht dazu übergehen, öffentliches Vermögen zu verschleudern“, sagte Beckmeyer. Die Investitionen – dazu gehören der Berliner Hauptbahnhof oder die ICE-Strecke Köln- Frankfurt am Main – müssten bei einem Verkauf der Bahn berücksichtigt werden.

Gutachter der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton taxieren den Wert der Bahn beim integrierten Börsengang auf maximal 8,7 Milliarden Euro. Der Unternehmensberater Karl-Dieter Bodack sagte indes in der Anhörung, seit der Bahnreform 1994 seien 60 Milliarden Euro in die Bahn geflossen.

Beckmeyer stellt sich mit seinem Einwand gegen Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), der vergangene Woche einen integrierten Börsengang als machbar bezeichnet hatte, wenn es eine starke Marktaufsicht gebe.

Anders als die SPD hält die Union eine Entscheidung über eine Verschiebung der Privatisierung für „verfrüht“, wie der verkehrspolitische Sprecher der Fraktion, Dirk Fischer, sagte. CDU und CSU wollten weiter eine Entscheidung im September herbeiführen.

Über die Anhörung hatte es zuvor Streit gegeben, weil sie nach Ansicht der Bahn einseitig besetzt war. Schon vorher sei klar gewesen, dass fast alle Fachleute das Privatisierungsmodell von Bahnchef Hartmut Mehdorn ablehnten. Mit dieser Begründung hatte der Berliner Rechts- und Wirtschaftsexperte Christian Kirchner seine Teilnahme abgesagt. Er plädiert als einziger der Geladenen für den integrierten Verkauf. Die Behauptung, die Bahn habe ihn zur Absage gedrängt, wies er zurück. In seiner Stellungnahme heißt es, das Integrationsmodell habe sich „nicht als Hindernis für einen freien Zugang von Wettbewerbern erwiesen“.

Der Chef der Bahn-Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, sagte, angesichts der „einseitigen Besetzung“ sei ein falsches Bild entstanden. „Die Frage der Beschäftigung hat nur eine untergeordnete Rolle gespielt, dafür ist der Aspekt des Wettbewerbs überbetont worden.“

In der Anhörung sagte der Ökonom Martin Hellwig vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, das System Bahn könne nur überleben, wenn es auf Dauer Geld vom Staat bekomme. Würde der Konzern samt Fahrweg teilprivatisiert, verkaufe der Bund den Investoren einen Anspruch auf Subventionen mit. „Das ist für den Steuerzahler untragbar“, befand Hellwig. Norbert Hauser, Vizechef des Bundesrechnungshofes, warnte die Politik davor, die Entscheidung über das Netz und damit über die Verkehrspolitik aus der Hand zu geben. Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD), einst Netzvorstand bei der Bahn, sagte, bei Mehdorns Börsenplan müssten in den kommenden Jahren im Konzern noch 60 000 Stellen gestrichen werden. Jürgen Basedow, Chef der Monopolkommission, warnte, wenn die integrierte Privatisierung schief gehe, könne der Staat das Netz nur zu einem hohen Preis zurückkaufen.

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