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Dietz

© dpa

Spielzeugindustrie: Das Millionenspiel

Märklin stand vor der Pleite, Schleich brauchte Geld. Heute gehören beide Finanzinvestoren – und leben gut damit.

Es ist ein weiter Weg von Schwäbisch-Gmünd bis nach New York. Besonders für einen mittelständischen Hersteller von Spielzeugfiguren. Doch die Firma Schleich hat es geschafft. Ihre handbemalten Tiere und Schlümpfe werden jetzt im weltberühmten Spielzeugladen Fao Schwarz an der Fifth Avenue verkauft. Das ist gut fürs Renommee. Wichtiger für die Kasse ist aber, dass Schleich-Tiere nun auch in allen nordamerikanischen Filialen der Handelskette Toys R Us zu haben sind.

Die Expansion des deutschen Traditionsunternehmens kommt nicht von ungefähr: Seit einem Jahr gehört Schleich einer „Heuschrecke“, der Investmentfirma HG Capital. Obwohl Schleich beständig wuchs und schwarze Zahlen schrieb, musste der Chef, Paul Kraut, einen Investor suchen. Denn drei der vier Gesellschafter wollten in den Ruhestand gehen und mussten ausgezahlt werden.

Schleich ist kein Einzelfall. Die Finanzinvestoren haben die deutsche Spielzeugbranche entdeckt. Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftszweigen sind sie hier willkommen. Im März 2006 rettete die Londoner Kingsbridge Capital den deutschen Modelleisenbahnbauer Märklin nach einem Gesellschafterstreit vor der Insolvenz. Nachdem der dänische Spielwarenhersteller Lego erkannt hatte, dass seine Freizeitparks mehr Kosten als Nutzen bringen, sprang vor gut zwei Jahren Blackstone ein. Der US-Finanzinvestor übernahm 70 Prozent an den vier Legoland-Freizeitparks in Dänemark, Deutschland, Großbritannien und den USA und zahlte dafür 375 Millionen Euro. Lego ist glücklich über den Deal: „Freizeitparks passen nicht zu Spielwaren“, begründet Lego-Sprecherin Silke Diekmann den Verkauf.

Dass Finanzinvestoren eine immer größere Rolle in der deutschen Spielzeugbranche spielen, überrascht Marktkenner nicht. Denn die Spielwarenhersteller, meist Mittelständler, haben gleich mit mehreren Schwierigkeiten zu kämpfen: „Oft gibt es Probleme mit der Nachfolgeregelung“, sagt Alexander Weber vom Marktforschungsunternehmen NPD. Auch die Veränderungen im Spielzeughandel treffen die Branche hart. „Die deutschen Hersteller verkaufen ihre Spielwaren vor allem über den Fachhandel“, gibt Marktforscher Weber zu bedenken. Doch das kleine Spielwarengeschäft wird immer mehr von den großen Ketten wie Toys R Us verdrängt. Und die setzen eher auf große Produzenten wie Mattel, die mit Hilfe ihrer enormen Werbeetats die kleineren Anbieter verdrängen.

Hinzu kommt: Der Markt wird enger, denn es gibt immer weniger Kinder. Und diese spielen dann lieber Playstation als Modelleisenbahn, berichtet Branchenexperte Weber. Das weiß man auch in Göppingen bei Märklin. Deshalb versucht es der Modelleisenbahnhersteller nun mit reichen Kunden aus dem Ausland. Ob Russland, Japan, die USA oder Dubai – überall sollen bald Märklin-Bahnen fahren. „Unsere Strategie zielt ganz klar auf den wohlhabenden Teil der Bevölkerung“, sagt Vorstandschef Axel Dietz, der damit bald nicht mehr nur der größte Modellbahnhersteller sein will, „sondern einer der größten Spielzeughersteller überhaupt“.

Der Exportmarkt von knapp 30 Prozent soll weiter wachsen, das ist erklärtes Ziel. Ein zweiter Schritt sind völlig neue Spielzeuge. Auch Puppen? „Nein, das wäre falsch, nicht falsch aber wäre ein Puppenherd“, sagt Dietz. Etwas Technisches müsse schon im Spielzeug stecken, sonst sei das Produkt dem Kunden nicht als Märklin vermittelbar.

Treibende Kraft für den Kurswechsel war der Einstieg des Finanzinvestors Kingsbridge Capital, der für rund 30 Millionen Euro das am Rande der Insolvenz stehende Familienunternehmen von den 22 zerstrittenen Gesellschaftern kaufte. Mit Axel Dietz wurde im Februar ein ehemaliger Müller-Milch-Mann neuer Märklin-Chef. Der Markenexperte spricht heute von „erfolgreichen Restrukturierungsmaßnahmen“.

Neben einem Stühlerücken an der Spitze meint er damit wohl vor allem für die Konzentration auf das Stammwerk in Göppingen. Vorher musste eine einzige Lok durch drei deutsche und ein ungarisches Werk, bevor sie in den Handel ging. Für die Mitarbeiter läuft diese Konzentration nicht immer reibungsfrei: Knapp ein Viertel der rund 1350 Arbeitsplätze fallen weg, und mit Sonneberg in Thüringen wurde einer der drei deutschen Standorte geschlossen; einige Jobs verlagerte Märklin nach Ungarn. Dabei war die Belegschaft seinerzeit sogar für den Einstieg des Investors auf die Straße gegangen – aus Angst um ihre Jobs, denn der Umsatz war zuvor innerhalb von drei Jahren um 25 Prozent gesunken.

Der Investor aus der Private-EquityBranche scheint dem fast 150 Jahre alten Familienunternehmen gut zu tun. Der Auftragsbestand erhöhte sich im ersten Halbjahr 2007 um 16 Prozent. Kingsbridge, dem Märklin fast ganz gehört, habe mit seiner Finanzierung „viele Knoten quasi über Nacht gelöst“, sagt Dietz. Knoten habe es in der Zeit davor bei neuen Investitionen gegeben, aber auch bei Entscheidungen. „Vor meiner Zeit gab es wohl eine Situation, wo sich verschiedene Familienstämme blockiert haben“, sagt Dietz. Heute läuft das anders: „Der gesamte Vorstand kommt einmal im Monat mit Kingsbridge zusammen. Bislang waren wir fast immer einer Meinung“, sagt Dietz.

Auch bei Schleich setzt der Investor auf Expansion. Der Umsatz wächst zweistellig, freut sich Justin von Simson von HG Capital. Zulegen soll der Figurenhersteller jetzt vor allem auf den ausländischen Märkten – England, Frankreich und den USA. Auch am Sortiment wird gearbeitet: „Wir wollen Spielwelten aufbauen“, sagt von Simson. So sollen beim Thema Safari nicht nur Löwen und Giraffen, sondern auch Häuser und Jeeps angeboten werden.

Mit dem Investment ist HG Capital sehr zufrieden und schließt auch weitere Übernahmen in der Spielwarenbranche nicht aus. Die Beteiligung an Schleich will HG Capital nicht aufgeben. Vorerst. „In ein paar Jahren“ könne man über einen Börsengang nachdenken oder über den Verkauf an einen strategischen Investor, räumt von Simson ein.

Für alle Fälle hat man bereits einen Fachmann in der Unternehmensführung. Neuer Finanzdirektor bei Schleich ist Erich Schefold, der zuvor den Gartengerätehersteller Gardena an die Börse gebracht – und ihn dann auch wieder von der Börse genommen hat. Ein Mann für alle Fälle eben.

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