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Wirtschaft: Sprich Französisch oder schweig’!

EDITORIALS Erinnert sich noch jemand daran, dass Frankreichs Präsident Jaques Chirac im vergangenen Jahr den Osteuropäern zurief: „Mund halten!“?

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Erinnert sich noch jemand daran, dass Frankreichs Präsident Jaques Chirac im vergangenen Jahr den Osteuropäern zurief: „Mund halten!“? Die ehemals kommunistischen Länder, die im Mai der EU beitreten, erregten Chiracs Zorn, indem sie den unentschuldbaren Faux Pas begingen, Washingtons Irakpolitik in einem Brief an das „Wall Street Journal“ zu unterstützen. Das war jedoch ein einziges Missverständnis. Chirac will gar nicht, dass diese Länder ruhig sind. Im Gegenteil: Sie sollen sich zu Wort melden – solange sie das auf Französisch tun.

In Paris sorgt man sich sehr, weil die zehn Beitrittsländer Englisch als ihre zweite Sprache vorziehen. So sehr sorgt man sich, dass die Regierungsbeamten der Beitrittsländer in diesem Sommer kostenlose Französischkurse bei Avignon angeboten bekommen. Für Chirac ist die Verbreitung der französischen Sprache das Mittel, um Europa mehr politisches Gewicht in der Auseinandersetzung mit den USA zu verleihen. Chirac fürchtet, dass die neuen Mitglieder mit Englisch als erster Fremdsprache den französischen Einfluss schmälern und die EU auf einen proamerikanischeren Kurs bringen werden.

Die Sprache war lange ein zentrales Element der globalen Ambitionen Frankreichs. Paris plant einen internationalen französischsprachigen Nachrichtenkanal, um Frankreich „mehr Präsenz im Krieg der Bilder zu verschaffen“, sagte Chirac. Unter seiner Führung erlangte die Internationale Organisation der französischsprachigen Länder, vormals eine rein kulturelle Organisation, 2002 im Libanon eine hochprofilierte politische Rolle. Zum ersten Mal waren die Mitglieder in einem arabischen Land zusammengekommen. Chirac drückte die „Deklaration von Beirut“ durch, die den französischen Widerstand gegen den Irakkrieg beschwor.

Gegen die Proteste des Restes der EU lud Chirac im vergangenen Jahr Zimbabwes umstrittenen Präsident Robert Mugabe zum franko-afrikanischen Gipfel nach Paris ein. In diesem Jahr zählen alle afrikanischen Staatsoberhäupter zu den geladenen Gästen – ein weiteres Zeichen der Ambitionen Frankreichs, den eigenen Einfluss zu vergrößern. Im Sommer muss es schön sein in Avignon. Aber die Osteuropäer sind schlau genug, um zu wissen, warum Frankreich sie so umschmeichelt.

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