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Wirtschaft: Sprinterprämien für Mutige

Bewag, Gasag und Bankgesellschaft – die früheren Landesbetriebe treiben ihren Stellenabbau mit gut dotierten Abfindungsprogrammen voran

Was den Vorständen Recht ist, sollte den Arbeitern und Angestellten billig sein. Wenn der Chef gehen muss, dann wird ihm der Abschied mit einer attraktiven Abfindung schmackhaft gemacht. Der Grund: Vorstände und Geschäftsführer haben befristete Verträge – fünf Jahre sind in Deutschland üblich. Und die müssen zumindest ausgezahlt werden. Da kommen bei Jahresgehältern von 200 000 oder 300 000 Euro ordentliche Summen zusammen.

Goldener Handschlag nicht garantiert

Arbeitnehmer dagegen müssen sich mit dem gesetzlichen Kündigungsschutz begnügen. Der bewahrt sie zwar vor willkürlichem Rauswurf, sichert aber keinen Anspruch auf den goldenen Handschlag. Nur jeder Dritte, der sich per Aufhebungsvertrag von seinem Arbeitgeber trennt, bekommt nach einer Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine Abfindung.

Doch die lang anhaltende Konjunkturkrise, Sanierungs- und Umbauprogramme zwingen gelegentlich zu ungewöhnlichen Maßnahmen. In Berlin gibt es gleich mehrere Beispiele dafür, wie hoch dotierte Abfindungsprogramme den Umbau beschleunigen. So hat der Energieversorger Bewag, der gerade in den neuen Vattenfall-Konzern aufgegangen ist, den goldenen Handschlag entdeckt: Allein im Geschäftsjahr 1999/2000 (30. Juni) verließen mehr als 1800 Mitarbeiter die Bewag und erhielten im Gegenzug eine Abfindung. „Wir mussten den Personalabbau durchführen und haben dabei auch gute Leute verloren“, sagt Sprecher Olaf Weidner. Dabei waren auch Mitarbeiter, die sich laut Weidner „für das Unternehmen krumm gelegt haben“.

Das erklärt möglicherweise auch die relativ hohen Summen, die gezahlt wurden. Durchschnittlich waren es 100 000 Euro. Darin ist auch die „Sprinterprämie“ für den schnellen Abschied enthalten. Doch für die Bewag hat sich das Programm gerechnet. Innerhalb von zwei Jahren hat der Berliner Energieversorger den Personalaufwand auf rund 369 Millionen Euro fast halbiert. „In einem bis eineinhalb Jahren haben wir die Beträge, die wir für Abfindungen, Vorruhestand und Teilzeit aufwenden, wieder eingespart“, erklärt Weidner.

Vor wenigen Tagen haben Vorstand und Personalvertretung der Bewag eine weitere Vereinbarung zum Personalabbau geschlossen. Bis Ende 2005 soll die Zahl der Mitarbeiter erneut um rund 800 auf dann nur noch 3700 verringert werden. Über die Höhe der Abfindungen sei Stillschweigen vereinbart worden. Nur so viel: Sie richten sich – wie schon beim letzten Mal – nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Lebensalter und dem Einkommen des Einzelnen. Wer bis zum 1. Januar des kommenden Jahres geht, bekommt noch eine Prämie zusätzlich. Im Schnitt werden die Abfindungen etwa wieder 100 000 Euro erreichen. „Wir nehmen viel Geld in die Hand, denn wir wollen den Mitarbeiter mehr anbieten als nur eine Abfindung“, sagt Weidner.

Gute Verträge ausgehandelt

Viel Geld in die Hand genommen hat auch der Berliner Erdgasversorger Gasag. Seit 1999 läuft ein Programm, das auch Abfindungen vorsieht. Und selbst der heutige Betriebsratsvorsitzende der Gasag, Andreas Otte, findet lobende Worte: „Angesichts der Situation in der sich die Gasag befand, wurden sehr gute Verträge ausgehandelt“, sagt er. Pro Jahr Betriebszugehörigkeit wurden im Schnitt ein bis eineinhalb Monatsgehälter gezahlt. Die Gasag liegt damit oberhalb der von den Arbeitsgerichten üblicherweise gezogenen Grenze. Die Richter billigen in der Regel nur ein halbes bis ein Monatsgehalt pro Betriebsjahr zu.

„Unsere Mitarbeiter kamen aus einer besonderen Situation“, begründet Peter Janke, Hauptabteilungsleiter Personal bei der Gasag die Großzügigkeit des Versorgers. „Sie kamen doch aus einen Eigenbetrieb des Landes Berlin und hatten sichere Arbeitsplätze, vergleichbar denen im öffentlichen Dienst. Wir haben das auch als eine soziale Verpflichtung gesehen.“

Die Rechnung geht auf

Im Einzelfall erreichte die Abfindung für einen ausscheidenden Mitarbeiter 100 000 Euro (einschließlich einer Prämie für Schnellentschlossene in Höhe von 50 000 Euro), bestätigt Betriebsrat Otte. Im Schnitt wurden knapp 90000 Euro angeboten. Rund 700 Mitarbeiter haben von der Gasag-Offerte seit 1999 Gebrauch gemacht. Gekostet haben die Abfindungen die Gasag damit insgesamt rund 63 Millionen Euro. Gelohnt hat es sich dennoch. Personalvorstand Jörg Rommerskirchen rechnet vor: Ein Mitarbeiter kostete die Gasag 1999 im Schnitt etwa 55000 Euro im Jahr. Innerhalb von zwei Jahren rechnete sich damit auch die höchste Abfindung.

Radikal muss auch die Bankgesellschaft Berlin ihr Personal verringern. Bis 2005 sollen rund 4000 Stellen gestrichen werden. Auch hier gibt es einen Sozialplan der Vorruhestand, Altersteilzeit, Teilzeitangebote und Abfindungsregelungen vorsieht. Über die Höhe macht die Bank keine Angaben, die Berechnungen sei zu individuell. Es gehen nicht nur Betriebszugehörigkeit, Alter und Gehalt sondern auch die Lebenssituation des Betroffenen – also etwa die Zahl der Kinder – ein. Nur so viel ist klar: Es gibt eine Mindestabfindung, und es wurde eine Höchstgrenze eingezogen. Aus Bankkreisen ist zu hören, dass die bei 128000 Euro liegt. Für Aufhebungsverträge, die bis zum 30. September 2002 abgeschlossen wurden, gab es eine Zusatzprämie: 7600 Euro wurden zuletzt genannt.

Daniel Rhee-Piening

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