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Teurer Tropfen. Aral, Shell, Esso und Total setzen die Preise. Das Kartellamt spricht von „oligopolistischen Marktstrukturen“.

© dapd

Spritpreise: Kater an der Zapfsäule

Wer Ostern mit dem Auto unterwegs war, musste extra viel für den Sprit zahlen – wie immer an Feiertagen und Wochenenden. Das Kartellamt untersucht den Markt seit 2009 – in Kürze folgt der Bericht.

Berlin - Das Osterwochenende war wieder teuer dieses Jahr. Autofahrer, die es am Montag vergangener Woche nicht rechtzeitig an die Tankstelle geschafft hatten, mussten unmittelbar vor den Feiertagen deutlich tiefer in die Tasche greifen. Kostete der Liter Diesel bundesweit am Montag vor einer Woche im Schnitt 1,43 Euro an der Tankstelle, waren es am Gründonnerstag schon knapp 1,47 Euro. Der Preissprung beim – trotz E10 – von vielen immer noch bevorzugten Superbenzin lag bei knapp vier Cent.

Alle Jahre wieder: Auch 2011 haben die Mineralölkonzerne über Ostern ein Extra-Geschäft gemacht. Gewiss, auch einige Rohölsorten waren teurer geworden und haben den Spritpreis getrieben. Aber die Bewegung vor Ostern fiel nicht einheitlich aus – der Preis für Nordseeöl stieg, Opec-Öl wurde billiger. Der ADAC spricht denn auch von „rein am Gewinn motivierten Mitnahmeeffekten“. Und wer zurückblickt stellt fest, dass auch in den Vorjahren die Preiskurve kurz vor Ostern nach oben abzweigt – so wie vor anderen Feiertagen und vor den Wochenenden, wie der ADAC jüngst ermittelte.

Während die Tankstellenkonzerne die Schuldzuweisungen des Autofahrerklubs routiniert parieren („Die Kosten steigen, der Dollarkurs sinkt, der Rohstoff wird teurer“), blicken Branchen- und Wettbewerbsexperten gespannt nach Bonn. Dort wird das Bundeskartellamt in einem Monat die Ergebnisse seiner dreijährigen „Sektoruntersuchung Kraftstoffe“ veröffentlichen. Die Wettbewerbshüter gehen der Frage nach, ob der Spritpreis sich aus dem freien Spiel von Angebot und Nachfrage ergibt – oder durch regelwidrige Absprachen der Anbieter. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) erhofft sich Aufklärung für den Verbraucher und einen „besseren Einblick in die Funktionsweise der Preissetzung im Mineralölsektor“. Doch die Hoffnung könnte enttäuscht werden.

Schon in seinem Zwischenbericht Mitte 2009 hatte das Kartellamt „ausgeprägte oligopolistische Marktstrukturen“ und „ein bedeutendes Hindernis für mehr Wettbewerb im Kraftstoffsektor“ gesehen: die hohe Konzentration auf einige wenige Tankstellenkonzerne. „Sollte das Kartellamt zu dem gleichen Ergebnis wie in seinem Zwischenbericht kommen, dann ist höchste Vorsicht geboten“, sagte Justus Haucap, Vorsitzender der Monopolkommission, dem Tagesspiegel. „Fusionen von Tankstellenkonzernen darf es dann eigentlich nicht mehr geben.“ Für den Wettbewerbsökonomen ist klar: „Der regelmäßige Anstieg der Spritpreise vor Feiertagen spricht dafür, dass es auf dem Tankstellenmarkt einen eingeschränkten Wettbewerb gibt.“

Doch welche Schlüsse kann das Kartellamt ziehen, welche Eingriffsmöglichkeiten hat die Behörde? „Wir können nicht die Preise festsetzen“, sagt eine Sprecherin, die sich nicht zum Stand der Sektoruntersuchung äußert. „Wir können nur für Wettbewerb sorgen.“ Doch aus den Preisbewegungen allein lasse sich nicht „automatisch ableiten, dass es wettbewerbswidrige Absprachen der Anbieter untereinander gibt“, sagt Justus Haucap von der Monopolkommission. Steige – wie beim Sprit vor Ostern – die Nachfrage, würden auch in anderen Branchen die Preise erhöht. „Zum Beispiel steigen die Hotelpreise an Messetagen oder die Flugpreise in den Schulferien.“ Haucap räumt allerdings ein, dass der Vergleich ein wenig hinkt: Hotelzimmer und Flüge würden in Stoßzeiten knapp – Benzin sei an der Tankstelle aber in der Regel unbegrenzt verfügbar. Eigentlich kein Grund für Preissprünge also.

„Bei der Kartellamtsprüfung kommt nichts heraus“, glaubt Rainer Wiek vom Energie-Informationsdienst EID. Es gleiche der Quadratur des Kreises, wolle man schlüssig nachweisen, dass wettbewerbswidrige Absprachen den Spritpreis trieben – und nicht die zahlreichen Einflussgrößen, die die Mineralölindustrie ins Feld führe: Marktpreise, Wechselkurse, Lagerbestände, Belieferungszyklen und vieles mehr. „Das wird mathematisch hochkomplex“, sagt Wiek. Gemacht würden die Preise – so oder so – von den Großen: Aral, Shell, Esso und Total. „Sie haben die Preisgewalt“, sagt Wiek.

Zuletzt ist diese Gewalt noch etwas größer geworden, weil an den Zapfsäulen das E10-Chaos ausgebrochen ist. Weil verunsicherte Autofahrer den neuen Biosprit meiden und weiter herkömmliches Super tanken, drohen den Mineralölfirmen hohe Strafzahlungen, wenn sie 2011 die gesetzlich vorgeschriebene Bioethanol-Quote von 6,25 Prozent nicht einhalten. „Niemand wird die Quote schaffen“, schätzt Rainer Wiek. „Die Strafen kommen.“ Die Anbieter ziehen daraus eine naheliegende Schlussfolgerung: Sie kalkulieren die Strafen schon jetzt in den Spritpreis ein. „Viele in der Branche sagen, dass ein ordentlicher Kaufmann vorsorgen muss“, berichtet Wiek vom EID. Von zwei Cent pro Liter ist die Rede.

„Energie wird teurer – daran müssen wir uns gedanklich gewöhnen“, sagt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland. Klammheimliche Freude über hohe Tankrechnungen für Autofahrer empfindet der Umweltschützer nicht. „Moderne Autos müssten nicht so viel verbrauchen, 50 Prozent weniger wären technisch leicht möglich“, sagt Lottsiepen. In den Spritpreisen sei außerdem „viel zu viel Spekulation“ enthalten, die dazu führe, dass die Ölkonzerne „auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette Extra-Profite einstreichen“.

Völlig machtlos sind freilich auch die Verbraucher nicht, wie Wettbewerbsökonom Justus Haucap findet. „Der Verbraucher kann ausweichen – bei den freien Tankstellen ist der Treibstoff oft preiswerter.“ Weiteren Regulierungsbedarf sieht Haucap nicht, schließlich hätten die Tankstellenbetreiber kein natürliches Monopol wie die Stromnetzbetreiber.

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