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Staatsbankrott - Wenn Länder pleite gehen: Schiffbruch mit System

Seit Jahrhunderten geht Regierungen durch Krisen und Kriege regelmäßig das Geld aus. Für die Politiker ist das eine Chance zum Neuanfang.

Giorgos Papandreou ist ein schlechter Staatschef. Die Verschuldung bekommt Griechenlands Premier nicht in den Griff, trotz massiver internationaler Hilfe und heftiger Sparbemühungen. Die Verbindlichkeiten steigen und steigen, befürchtet der Internationale Währungsfonds (IWF). Eine Umfrage der Agentur Bloomberg ergab, dass drei von vier Anlegern über kurz oder lang mit einer Pleite Griechenlands rechnen.

Papandreou ist ein Musterschüler – zumindest im Vergleich zu Philipp II. Nicht weniger als dreimal führte er zwischen 1556 und 1598 Spanien als König in den Bankrott. Er galt als kriegslüsterner Herrscher und zog gegen England, Frankreich, das Osmanische Reich und die Niederlande zu Felde. Dazu benötigte er eine umfangreiche Flotte, die Armada – das kostete. Insgesamt 13 Mal ging dem einstigen Weltreich das Geld aus. Nicht viel besser machten es die französischen Regenten: Achtmal steuerten sie ihr Reich in den finanziellen Ruin, wegen ihrer Leidenschaft für das Militär und das Luxusleben. Abbé Terray, Finanzminister zwischen 1768 und 1774, befand, eine Staatspleite alle hundert Jahre sei nicht schlimm. Mitunter ließen die Monarchen ihre Kreditgeber sogar kurzerhand exekutieren, um sich lästiger Schulden zu entledigen.

Auch die Deutschen taugen nicht zum Vorbild. Auf dem Gebiet des Reichs mussten im 19. Jahrhundert Preußen, Westfalen, Kurhessen und Schleswig-Holstein jeweils den Bankrott eingestehen, vor allem infolge der Napoleonischen Kriege. Und nach den Währungsreformen von 1923 und 1948 wurden alle Schulden Deutschlands wertlos – auch das ist eine Form der Staatspleite. Genau genommen war zudem die DDR seit den siebziger Jahren zahlungsunfähig, wurde aber mit Milliardenkrediten vom Westen gepäppelt.

Europas Staats- und Regierungschefs werden sich auf ihrem Gipfeltreffen am kommenden Freitag in Brüssel zwar eher die Zunge abbeißen, als offen über die Pleite eines der Euro-Länder zu plaudern. Doch sie wissen, dass der Bankrott eines Staates über Jahrhunderte zur Normalität gehörte. Bis heute: Russland traf es 1998, Pakistan 1999, Peru 2000, Argentinien 2001. Griechenland ist ein heißer Kandidat für die Nachfolge. Zumeist führten Kriege, aber auch Naturkatastrophen, Misswirtschaft oder Staatsstreiche ins finanzielle Desaster. Dabei ist ein Ruin halb so schlimm. „Staatsbankrotte sind keineswegs gleichbedeutend mit Staatsvernichtung“, schrieb der deutsch-amerikanische Ökonom Alfred Manes schon 1918. „Häufig genug zeigen sie sich sogar als Staatsrettung.“

Ein Privatmann oder ein Unternehmer gilt als bankrott, wenn er nicht mehr zahlen kann – eine Regierung, wenn sie nicht mehr zahlen will. Pleite ist ein Staat, wenn er fällige Schulden später als vereinbart, nur zum Teil oder gar nicht mehr bedient. Anders als eine Firma verschwindet er aber nicht vom Erdboden, wenn er sich finanziell übernommen hat. Die Straßen und Schulen eines Landes, die Bodenschätze und Unternehmen, die Bürger und ihre Kaufkraft gibt es weiterhin. Staatspleiten enden meist mit einem Vergleich – Zinsen werden reduziert, die Fälligkeit hinausgeschoben, ein Teil der Schuld erlassen. Für Kapitaleigner bleiben Länder daher auch dann interessant, wenn sie sich wiederholt als unzuverlässig erwiesen haben. Das erklärt, warum etwa der Serienpleitier Spanien von den finanzkräftigen Fuggern aus Augsburg immer wieder Geld bekam: Über die Jahre lässt sich auch mit unsicheren Kantonisten gut verdienen.

Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Regierenden offen zugeben, dass sie klamm sind. Das ist in der Geschichte eher die Ausnahme als die Regel. Viel bequemer war und ist es, sich der Schulden per Inflation zu entledigen. Schon die Römer setzten im dritten Jahrhundert den Kupferanteil ihrer Münzen auf ein Sechstel herab, um ihre Kriege finanzieren zu können. Später, zwischen 1400 und 1850, sank der durchschnittliche Silberanteil der zehn wichtigsten Währungen Europas von knapp neun auf nur noch gut ein Gramm. Der technische Fortschritt unserer Zeit eröffnete den Politikern dann völlig neue Möglichkeiten. „Die Erfindung der Notenpresse hob die Inflation auf eine völlig neue Stufe“, schreiben die US-Ökonomen Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff. Regelmäßig kam es daher in den vergangenen Jahrzehnten zu Hyperinflationen. Geld ist dann oft nicht mehr das Papier wert, auf das es gedruckt ist. Als in Deutschland 1923 die Preise beinahe stündlich stiegen, verheizten die Leute die Geldscheine lieber als damit einkaufen zu gehen. Als Ausweg bleibt eine Währungsreform – auf den Scheinen werden einfach ein paar Nullen weggestrichen.

Seit Staaten und Finanzwirtschaft immer enger verflochten sind, werden Pleiten aber immer folgenreicher. Erst recht in der Euro-Währungszone. Müssen Griechenland, Portugal oder Spanien ihre Zahlungsunfähigkeit erklären, kommt es auch in anderen Ländern zu Verwerfungen, wenn die Banken ihre Kredite an Athen abschreiben müssen und unterzugehen drohen.

Doch das Ringen der Regierungschefs um den Fortbestand der Gemeinschaftswährung wirkt verzweifelt, findet der Makroökonom Ansgar Belke, der an der Universität Duisburg und am Berliner DIW forscht. „Man sollte die Länder geordnet in die Pleite führen, statt sie künstlich über Wasser zu halten“, verlangt er. Das sei finanziell ohnehin nicht zu stemmen. „Dann kann der Staat die Banken, die in Schieflage geraten, direkt stützen – das wäre auch gerechter.“

Doch dazu fehlt den meisten Europäern der Mut. Auf Dauer, fürchtet Belke, gibt es daher wieder nur einen Ausweg: Geldentwertung. In den kommenden Jahren werde die Inflationsrate auf bis zu vier Prozent steigen. „Das ist für die Politiker offenbar immer noch die einfachste Lösung.“

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