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Wirtschaft: Standpunkt: Wer zu teure Immobilien erbt, den bestraft der Staat

Bis zum Jahre 1995 war die Welt für Immobilienerben noch in Ordnung. Wer bis zu diesem Zeitpunkt eine Immobilie erbte oder als Geschenk erhielt, musste diese nur mit dem auf 140 Prozent erhöhten Einheitswert und nicht mit dem tatsächlichen (Verkehrs-) Wert versteuern.

Bis zum Jahre 1995 war die Welt für Immobilienerben noch in Ordnung. Wer bis zu diesem Zeitpunkt eine Immobilie erbte oder als Geschenk erhielt, musste diese nur mit dem auf 140 Prozent erhöhten Einheitswert und nicht mit dem tatsächlichen (Verkehrs-) Wert versteuern. Diese Praxis war jedoch all denjenigen ein Dorn im Auge, die Bargeld, Wertpapiere und Ähnliches zum Nominalwert, also zu 100 Prozent zu versteuern hatten. Auf Grund verschiedener Vorlagen hob das Bundesverfassungsgericht schließlich durch Beschluss vom 22. Juni 1995 diese Besteuerungspraxis wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz auf und forderte den Gesetzgeber auf, den verfassungswidrigen Zustand bis zum 31. Dezember 1996 zu beseitigen.

Bei der Reform sollte nach dem Willen des Gerichts der besondere Schutz von Ehe und Familie berücksichtigt werden und ein normales Einfamilienhaus als so genanntes "Familiengebrauchsvermögen" - möglichst - steuerfrei belassen werden. Auf Grund dieser Vorgaben führte der Gesetzgeber rückwirkend zum 1. Januar 1996 ein so genanntes "typisierendes Wertermittlungsverfahren" ein, bei dem unbebaute Grundstücke mit 80 Prozent des Bodenrichtwertes in Ansatz gebracht, bebaute Grundstücke dagegen im Ertragswertverfahren berechnet wurden. Hierbei wurden zum Zwecke der Besteuerung im Erb- und Schenkungsfall die Jahresnettokaltmieten mit dem Faktor 12,5 multipliziert und Zu- und Abschläge je nach Alter und Nutzung des Hauses vorgenommen. Bei dieser Wertermittlungsmethode wurden für bebauten Grundbesitz im Schnitt rund 50 Prozent des tatsächlichen Verkehrswertes (Verkaufswertes) des Hauses erzielt. Gleichzeitig wurde diese Regelung zunächst bis zum 31. Dezember 2001 festgeschrieben.

Gesetzgeber steht vor der Wahl

Der Gesetzgeber steht nun also vor der Aufgabe, die Gültigkeit des Gesetzes zu verlängern - wie es CDU und FDP fordern - oder eine Neuregelung - wie fünf SPD-regierte Länder Ende März beantragt haben - durchzusetzen. Ziel des Antrages auf Neuregelung ist es, die Bewertungsgrundlage von bebautem Grundbesitz im Erbschafts- und Schenkungsteuerfalle von derzeit rund 50 Prozent auf rund 72 Prozent des tatsächlichen Verkehrswertes zu erhöhen. Eine derartige Bewertungserhöhung hätte für Erben und Beschenkte teilweise drastische Folgen. Für den Fall, dass nicht gleichzeitig die Freibeträge erhöht werden, müssten insbesondere Erben von mehrfachen Immobilienvermögen oder von Immobilien in guter Großstadtlage mit einer deutlich höheren Steuerlast rechnen.

Während normale Einfamilienhäuser auf Grund der derzeit geltenden Freibeträge (Ehegatte 600 000 Mark; Kinder je: 400 000 Mark) häufig völlig steuerfrei bleiben, würde die geplante Änderung bei höherwertigen Immobilien oder mehrfachem Immobilienerwerb durch Erbschaft oder Schenkung voll durchschlagen und teilweise zu einer Verdoppelung der Steuerlast führen. Ein Beispiel: Ein pensionierter Freiberufler besitzt ein Einfamilienhaus im Wert von rund 800 000 Mark (Steuerwert derzeit rund 400 000 Mark) und ein vermietetes Dreifamilienhaus im Wert von rund 1,4 Millionen Mark (Steuerwert derzeit rund 700 000 Mark). Gehen beide Immobilien durch Erbschaft auf den einzigen Sohn über, zahlt dieser zurzeit eine Erbschaftssteuer von 105 000 Mark. Wird die Bewertungsgrundlage dagegen auf rund 72 Prozent erhöht, schlägt der Erbfall mit 225 000 Mark Erbschaftssteuer zu Buche, wenn nicht gleichzeitig die Freibeträge erhöht werden.

Um eine derartige Belastung, die insbesondere Freiberufler und Mittelständler treffen würde, zu vermeiden, kann eine Bewertungsänderung nur bei gleichzeitiger Erhöhung der Freibeträge erfolgen. Diese sollten für Ehegatten auf 800 000 Mark und für Kinder auf 600 000 Mark erhöht werden.

Wolfgang Kastner (46) ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde e.V., Bonn. In diesem Verband haben sich bundesweit rund 600 Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater mit dem Spezialgebiet "Erbrecht" zusammengeschlossen. Mehr zur steuerlichen Bewertung im Erbfall sowie Mustertestamente enthalten die Ratgeber "Sterben macht Erben" und "Sterben und Steuern", erhältlich für je 15,80 Mark zuzüglich je zwei Mark Versand über die Deutsche Gesellschaft für Erbrechtskunde, Simrockallee 27, 53173 Bonn.

Wolfgang Kastner

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