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Zur Probe. Der Ausbildungskapitän Thomas Göller „fliegt“ den weltweit ersten Flugsimulator des Typs Airbus A340-600 der Lufthansa. Das Gerät simuliert den Anflug auf Caracas. Der Airbus A340-600 ist das derzeit längste Passagierflugzeug der Welt. Foto: Martin Oeser/ddp

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Wirtschaft: Startklar zur harten Landung

Dunkelblaue Uniform, eine junge Crew, heute New York, morgen Tokio. Wer Pilot werden will, denkt an die kurze Ausbildung, das hohe Einstiegsgehalt, das Ansehen.

Dunkelblaue Uniform, eine junge Crew, heute New York, morgen Tokio. Wer Pilot werden will, denkt an die kurze Ausbildung, das hohe Einstiegsgehalt, das Ansehen. Die Realität sieht aber anders aus. Fliegen ist ein Knochenjob: Zeitumstellung, permanenter Druckausgleich, unregelmäßige Arbeitszeiten, zu genervten Passagieren freundlich sein, auch wenn man selbst müde ist. Der Aufstieg der Billigflieger hat den Druck auf die Besatzungen auch noch massiv erhöht. „Zwar gibt es jetzt mehr Airlines als früher, aber die Arbeitsbedingungen sind schlechter geworden“, sagt Michael P., der für Air Berlin fliegt und bei der Pilotenvereinigung Cockpit die Arbeitsgruppe „Berufseinsteiger“ leitet.

Nicht nur die Arbeitsbedingungen sind hart, auch die Ausbildung ist teuer und risikoreich. Zwischen 60 000 und 80 000 Euro müssen die Anwärter für die Stunden im Flugsimulator, die psychologische und technische Schulung aufbringen. Nur bei dem Airline-Konzern Lufthansa erhalten sie dafür ein Darlehen, das erst zurückgezahlt werden muss, wenn die ersten Gehälter dann kommen.

Die Schere zwischen den Verdiensten bei den Fluglinien geht weit auseinander. Bei der Lufthansa liegt das Einstiegsgehalt der Co-Piloten bei rund 4500 Euro brutto, kleine Airlines ohne Tarifbindung zahlen dagegen nur 2000 Euro. Wer nach einer Minimumanzahl geflogener Stunden Kapitän wird, macht einen großen Gehaltsschritt nach oben und verdient ab 100 000 Euro aufwärts bei den großen Gesellschaften.

Pro Monat landen aus diesem Grund rund 500 Bewerbungen im Kranich-Konzern, lediglich nur zehn Prozent der Bewerber schaffen es aber durch die harte Aufnahmeprüfung. Hier müssen sie unter Beweis stellen, dass sie mehrfach belastbar sind, auch unter Stress ruhig bleiben können, gut Englisch sprechen und verstehen. P. schaffte das nicht. Also blieb ihm nur eine Alternative: eine private Flugschule.

„Das war ein enormes Risiko, das würde ich heute nicht mehr machen“, versichert der 29-Jährige: 80 000 Euro für anderthalb Jahre, die Eltern halfen. Seine Kollegen waren auch alle durch die Lufthansa-Prüfung gefallen. „Für Konkurrenzdenken blieb keine Zeit“, sagt der Pilot. Obwohl abzusehen war, dass es nachher nicht für alle eine Stelle geben würde.

Wer seine Lizenz an einer privaten Flugschule erwirbt, muss sich hinterher selbst eine Fluggesellschaft suchen, Bewerbungserfolg ungewiss. Michael P. bestand den ersten Auswahltest bei der Germania, doch der Psychologe entschied, dass er nicht zur Firma passt. Zweieinhalb Jahre suchte er dann nach dem Ende seiner Ausbildung eine Stelle als Co-Pilot, fing parallel noch an zu studieren, um überhaupt eine Alternative zu haben. „Für viele bleibt es ein Traumberuf, weil sie keine Arbeitsstelle finden und das ganze Geld umsonst investiert haben“, sagt Michael P.. Er fliegt seit Oktober 2006 für Air Berlin.

Die Jahre nach dem 11. September 2001 waren für die Luftfahrtbranche besonders schlimm. P. musste permanent überlegen, wie er den riesigen Kredit zurückzahlen kann. Im Moment wird selbst bei der Lufthansa nicht eingestellt. Nach Konzernangaben warten etwa 200 bereits ausgebildete Piloten auf eine Stelle.

Michael P. fliegt Kurz- und Mittelstrecken innerhalb Europas. Er lebt in Würzburg, Abflug ist immer aus Nürnberg. Kurzstreckenflugtage können anstrengend sein, weil oft gestartet und gelandet wird. Nach Informationen der Vereinigung Cockpit kommt noch hinzu, dass Piloten die mit Abstand am meisten strahlenbelastete Berufsgruppe sind. Gerade wenn viele Langstrecken geflogen werden, kann das auf Dauer gesundheitliche Folgen haben.

In der Crew hat P. jedes Mal neue Kollegen, „das ist der große Vorteil gegenüber dem Büro“. Trotzdem muss die Zusammenarbeit immer sofort reibungslos funktionieren. Das ist an kleinen Stationen wie Nürnberg einfacher. An Drehkreuzen wie Frankfurt ist die Einsamkeit vorprogrammiert.

„Jeder, der regelmäßige Arbeitszeiten braucht, ist im falschen Beruf gelandet“, meint Michael P.. Er schafft es mittlerweile nicht mehr zu jedem Geburtstag: „Spontan reagieren kann ich nur selten.“ Denn wann er im nächsten Monat fliegt, steht bereits am 25. des Vormonats fest. Am 1. Januar musste P. zum Beispiel um 8:50 Uhr nach Ägypten. Natürlich mit 0,0 Promille. Das kann eine Belastung sein, die viele Berufsanfänger unterschätzen.

Nicht nur den Kontakt zur Familie und zu den Freunden zu halten, ist da eine ziemlich große Herausforderung für die Flieger. Die Erfahrung hat auch Michael P. gemacht: „Eine Beziehung zu haben, ist als Pilot nicht einfach“, sagt er. Auch wenn seine Freundin als Ärztin einen mindestens ebenso unregelmäßigen Arbeitsalltag hat. (HB)

Carola Sonnet

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