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Steigen die Preise, während die Zinsen niedrig bleiben, können Sparer sich morgen weniger leisten.

© dpa

Steigende Preise in der Euro-Zone: Warum die Inflation Draghi nicht schreckt

Die Inflation in der Euro-Zone ist so hoch wie seit vier Jahren nicht mehr. Trotzdem greift die Europäische Zentralbank nicht ein.

Von Carla Neuhaus

Die Deutschen sind empfindlich, wenn es um die Inflation geht. Ein starker Preisanstieg lässt sie um ihr Erspartes fürchten. Schließlich heißen steigende Preise, man kann sich morgen mit demselben Betrag weniger leisten als heute. Könnte man das durch hohe Zinsen kompensieren – es wäre alles halb so schlimm. Doch so schrecken die Deutschen auf. Um 1,8 Prozent sind die Preise in der Euro-Zone im Januar zufolge im Vergleich zum Vorjahr gestiegen – so stark wie seit mehr als vier Jahren nicht mehr. Hierzulande lag die Teuerungsrate sogar bei 1,9 Prozent. Das Problem ist nur: Den Mann, der das ändern könnte, schreckt die Inflation bislang überhaupt nicht.

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank, bleibt entspannt – da können die Deutschen noch so laut poltern. „Die EZB sollte dringend umsteuern“, sagt der Wirtschaftsweise Volker Wieland. Sein Kollege Lars Feld meint, die Notenbanker müssten im Frühjahr einen Rückgang ihrer Anleihekäufe ankündigen. Doch in der EZB kommt das nicht an. So hält EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny solche Forderungen dann auch für verfrüht. Er erwartet keine raschen Beschlüsse, um aus der laxen Geldpolitik auszusteigen. Der Grund: Geht es nach den Notenbankern, steigen die Preise noch gar nicht stark genug.

Die EZB peilt eine Inflationsrate von zwei Prozent an

Das klingt erstmal absurd. Schließlich hat sich die EZB selbst eine Zielmarke für die Inflation von „unter, aber nahe zwei Prozent“ gesetzt. Ihre Aufgabe ist es, diese Marke zu erreichen und zu halten. Dann nämlich sprechen die Notenbanker von Preisstabilität. Mit knapp unter zwei Prozent steigen die Preise ihrer Meinung nach stark genug, um nicht fürchten zu müssen, dass ein Preisdruck nach unten entsteht und das Wirtschaftswachstum abwürgt wird – aber auch nicht so stark, dass es die Verbraucher überfordert. Nun könnte man bei einer Inflationsrate von 1,8 Prozent für die Euro-Zone durchaus sagen: Ziel erreicht. Schließlich liegt die Preissteigerung damit knapp unter zwei Prozent – so wie es sich Draghi und Co. wünschen.

Doch die Notenbanker argumentieren anders. Dafür braucht man sich nur anhören, was Draghi nach der letzten Ratssitzung sagte. Es seien vor allem die Energiepreise, die die Inflationsrate habe steigen lassen. Deshalb hält er den Anstieg der Verbraucherpreise auch nur für vorübergehend. Das sei noch kein nachhaltiger Trend. Der Grund: Gerade Energiepreise schwanken stark. Draghi schaut sich deshalb auch ungern die für Verbraucher relevante Preissteigerung an sondern lieber die sogenannte Kerninflation. Das heißt, er lässt Güter wie Benzin oder Lebensmittel außen vor. Und tatsächlich: Klammert man diese Waren aus, liegt der Preisanstieg in der Euro-Zone nur noch bei 0,9 Prozent. So sagt Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil dann auch „Angesicht des unsicheren Inflationsausblicks wird die EZB wohl erst dann zu einem Kurswechsel in der Geldpolitik bereit sein, wenn die Kerninflationsrate nachhaltig steigt.“

Die Preise steigen in den Euro-Ländern unterschiedlich stark an

Für Verbraucher ist das natürlich kein Trost. Schließlich können sie auf Energie und Lebensmittel nicht verzichten. Sie müssen sich deshalb vorerst auf weiter steigende Preise einstellen – während die Zinsen niedrig bleiben. Dabei gibt es durchaus Länder in der Euro-Zone, in denen die Preise noch sehr viel stärker ansteigen. In Belgien, Estland und Lettland liegt die Inflation zum Beispiel schon über zwei Prozent. Das zeigt aber auch, in was für einem Dilemma Draghi steckt. Schließlich muss er es allen Staaten recht machen. Während die Geldpolitik für die Deutschen zu locker ist, ist sie für andere Staaten wie Griechenland oder Italien rein den Zahlen zufolge noch gar nicht locker genug. Denn dort steigen die Preise nur minimal. In Irland fallen die sie sogar, in Zypern und Griechenland steigen sie kaum. Dort hat man das umgekehrte Problem: Statt steigender Preise fürchtet man eine Abwärtsspirale. Denn fallen die Preise, halten sich Verbraucher mit Ausgaben zurück, verkaufen Firmen weniger, wodurch langfristig Arbeitsplätze wegfallen. So misslich die Lage also für deutsche Verbraucher ist: Für’s erste haben sie keine anderen Wahl, als sich damit abzufinden.

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