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Steuermehreinnahmen: Keine Euphorie und anhaltender Streit

Trotz der optimistischen Prognose der Steuerschätzer ist keine Jubelstimmung ausgebrochen - weder bei Bund und Koalitionären noch bei Ländern und Kommunen.

Berlin - Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) gibt sich gelassen. Die Debatte um die für Anfang 2007 geplante Mehrwertsteuererhöhung werde bis 31. Dezember, 23.59 Uhr, andauern, meinte der Kassenwart jüngst ironisch und gab zu erkennen, dass auch die positiven Zahlen der Steuerschätzer nichts an den Plänen ändern werden. Wirtschaftsverbände und Opposition nutzten die in Aussicht gestellten neuen Milliarden für die Staatskassen dennoch, um Front gegen die größte Steuererhöhung der Nachkriegsgeschichte zu machen.

Für Steinbrück und Co. ist das Thema wohl erledigt. Immer wieder haben Bund und Länder signalisiert, dass die Anhebung von 16 auf 19 Prozent angesichts der maroden Staatsfinanzen kommt. Die große Koalition steuert indes längst auf andere konfliktträchtige Debatten zu. Denn zusammen mit der Mehrwertsteuererhöhung 2007 kommen noch weitere Belastungen auf Pendler, Kleinsparer und Familien zu. Etliche Verfassungsklagen von Verbänden und der Opposition stehen im Raum.

Schon an diesem Sonntag könnte auch auf dem SPD-Sonderparteitag nicht nur die stark gestutzte Reichensteuer für Ärger sorgen. Die Parteilinken könnten sich auch für Vorgaben bei der für 2008 geplanten Reform der Unternehmensteuer stark machen. Schließlich grummelt es beim Koalitionspartner. Nicht wenige in der Union meinen, dass der SPD bisher zu viele Zugeständnisse gemacht worden seien.

Trotz der optimistischen Prognose der Steuerschätzer ist also keine Euphorie ausgebrochen - weder bei Bund und Koalitionären noch bei Ländern und Kommunen. Schließlich ist das bis 2009 vorausgesagte Plus von mehr als 70,2 Milliarden Euro fast ausschließlich auf Steuererhöhungen zurückzuführen. Es sei daher absurd, mit Hinweis auf diese Mehreinnahmen den Verzicht der Mehrwertsteuerpläne zu fordern.

Großteil der Mehreinnahmen ist bereits verbucht

Zudem sind die «echten» Mehreinnahmen für Steinbrück weit geringer. Denn 2,4 Milliarden vom «neuen» Steuerplus sind bereits verplant für den Haushalt 2006. Auch andere Mehreinnahmen sind längst verbucht. Und die deutsche Wirtschaft hat im ersten Quartal mit 0,4 Prozent angesichts der zuversichtlichen Unternehmensstimmung geringer zugelegt als erhofft. Hinzu kommen Haushaltsrisiken durch Probleme am Arbeitsmarkt und bei den Sozialkassen. Steinbrück bleibt also bei seinem Kurs und erhält auch Rückendeckung von Rechnungshof, EU-Kommission und den Haushaltsexperten von Union und SPD.

Angesichts leerer Kassen und eines Schuldenbergs des Staates von mehr als 1,5 Billionen Euro gibt es auch kaum Spielräume bei der geplanten Unternehmenssteuerreform. Steinbrück will die Steuersätze für große Konzerne dennoch senken, die Einnahmeausfälle für den Staat mit dem Stopfen von Steuerschlupflöchern aber möglichst gering halten. Eine gewisse Anschubfinanzierung dürfte dennoch kommen. Wie hoch, werden die bis Ende Mai angekündigten Eckpunkte zeigen.

Für die Steinbrück-Kritiker in der SPD kamen daher die aktuellen Betriebsprüfer-Zahlen gerade recht: Wie in den beiden Vorjahren mussten die Unternehmen 2005 fast 14 Milliarden Euro an Steuern nachzahlen. Vor allem die Großunternehmen haben nur unwillig gezahlt und sich vor dem Fiskus arm gerechnet. Freiwillig zahlten sie nur rund zwei Drittel der fälligen Körperschaftsteuer. Ein Drittel - rund 5,36 Milliarden Euro - trieben die Betriebsprüfer ein.

Auch der Streit um die Gewerbesteuer ist noch nicht ausgestanden. Sie soll Bestandteil der Unternehmenssteuerreform sein. Die Kommunen lehnen bisher eine Abschaffung ihrer wichtigsten Einnahmequelle ab, ebenso die diskutierten Kompromissmodelle. Auch Steinbrück, die SPD und CSU sehen keine Alternative. Die CDU macht sich dagegen wie einige Ökonomen für eine andere Form der Kommunalfinanzierung stark.

(Von André Stahl, dpa)

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