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Wirtschaft: Stille Post

Wie kommt ein Blauer Brief aus Brüssel nach Berlin? Wird er feierlich von einem Kommissar der Europäischen Union überbracht?

Wie kommt ein Blauer Brief aus Brüssel nach Berlin? Wird er feierlich von einem Kommissar der Europäischen Union überbracht? Oder landet ein schlichter blauer Umschlag in der Poststelle des Finanzministeriums?

Weit gefehlt: Der Blaue Brief existiert gar nicht – zumindest nicht physisch. „Eine spezielle Mitteilung an das betroffene Land oder gar einen Brief im blauen Umschlag gibt es nicht“, sagt Viola Eggert, eine Sprecherin der EUKommission in Berlin. „Hinter dem Begriff steckt vielmehr eine Entscheidung des EU-Rates der Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin).“ Die wird lediglich veröffentlicht. Ecofin gibt dem betroffenen Land eine frühzeitige Warnung vor übermäßigen Haushaltsdefiziten nach Artikel 103 des EG-Vertrages. Vorher prüft die EU-Kommission, inwieweit die tatsächliche Neuverschuldung von der geplanten abweicht. Außerdem kontrolliert sie, ob die im Maastricht-Vertrag vereinbarte Obergrenze von drei Prozent durchbrochen wurde. Bei Ecofin ist dann eine qualifizierte Mehrheit von 62 der insgesamt 87 Stimmen nötig. Den Begriff „Blauer Brief“ gibt es übrigens nur in Deutschland – in Anlehnung an die Mitteilungen für versetzungsgefährdete Schüler. Im englischsprachigen Ausland heißt das nur „early warning“, also „Frühwarnung“. Beim Treffen zwischen Kommissar Solbes mit Finanzminister Eichel ging es aber um viel mehr als um die Frühwarnung. Vielmehr will Solbes gegen Deutschland und Portugal ein offizielles Defizit-Verfahren einleiten. Das soll die Länder in den nächsten Jahren zu verstärktem Sparen zwingen. shr

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