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Wirtschaft: Strafverfahren gegen Berlin ausgesetzt

EU-Kommission will erst Klarheit über Anwendung des Stabilitätspakts

Scheveningen – Die Bundesregierung muss diesen Herbst nicht die Fortsetzung des europäischen Strafverfahrens wegen übermäßiger Staatsverschuldung fürchten. Der für die Währungspolitik zuständige EUKommissar Joaquin Almunia versicherte am Wochenende beim Treffen der EU-Finanzminister im niederländischen Scheveningen, dass er das Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich erst dann wieder aufgreifen werde, wenn Klarheit über die Anwendung des Euro-Stabilitätspakts bestehe.

Die 25 Finanzminister der EU waren zusammengekommen, um unter anderem über die Vorschläge Almunias zur flexibleren Umsetzung des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts zu beraten. Paris und Berlin hatten im vergangenen Jahr im EU-Ministerrat das von der EU-Kommission eingeleitete Defizitverfahren blockiert, das sie wegen übermäßiger Neuverschuldung an den Pranger stellte. Der Europäische Gerichtshof hob die Blockade durch den EU-Ministerrat jedoch auf und wies die Regierungen in Berlin und Paris in ihre Schranken. Die Kommission wird das Verfahren dennoch vorerst nicht fortsetzen.

Da die EU-Finanzminister in Scheveningen seine Reformpläne, die eine großzügigere Anwendung der Regeln zulassen, mit großer Zustimmung aufnahmen, rechnet Almunia mit einer Entspannung im Streit über den Stabilitätspakt. Offenbar rechnet er auch mit einer zusätzliche Erleichterung der Schuldenlage durch eine Konjunkturbelebung noch in diesem Jahr. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone werde aller Voraussicht nach über die vorhergesagten 1,7 Prozent steigen, sagte Almunia am Wochenende.

Die EU-Finanzminister bekannten sich bei ihrem Treffen in Scheveningen nachdrücklich zu den festen Regeln des Stabilitätspakts. Die Obergrenze für die Neuverschuldung von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wurden von niemandem in Frage gestellt. Es gehe um eine „ökonomisch vernünftige Anwendung", des Pakts erklärte Bundesfinanzminister Eichel (SPD). Er bekräftigte die Zusage, das deutsche Staatsdefizit 2005 wieder unter drei Prozent des BIP zu drücken. Die Europäische Zentralbank (EZB) lehnte eine großzügigere Anwendung der Regeln ab. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet sagte, zwar sehe auch die Zentralbank die Notwendigkeit, die Anwendung des Paktes zu verbessern, allerdings sollten die Ausführungsbestimmungen zum Pakt nicht geändert werden.

Auf überraschend große Zustimmung stießen auch die Vorschläge von EU-Binnenmarktkommissar Bolkestein, der die Berechnung der Unternehmenssteuer europaweit auf eine gemeinsame Grundlage stellen und den Wildwuchs der Steuerprivilegien beschneiden will.

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