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Wirtschaft: Strafzins für müde Banken

Ein Minuszins für Einlagen bei der Europäischen Zentralbank könnte die Kreditvergabe ankurbeln – Experten raten ab.

Frankfurt am Main - Es wäre ein Novum: Banken und Sparkassen vertrauen Geld der Europäischen Zentralbank (EZB) an – und müssen dafür zahlen. Übertragen auf das tägliche Geschäft der Banken hieße das, dass Kunden für Geld, das sie einer Sparkasse oder Bank leihen, keine Zinsen bekommen, sondern Zinsen zahlen müssen. Tatsächlich war ein negativer Einlagenzins Diskussionsthema auf der letzten Sitzung des EZB-Rates am 7. November, als das Gremium den Leitzins von 0,5 auf 0,25 Prozent senkte. Dies bestätigt EZB-Präsident Mario Draghi. Mehr nicht. Eine Nachrichtenagentur hatte indes gemeldet, zwei wichtige Notenbanker hätten berichtet, in der EZB werde eine Senkung des Einlagezinses von null auf minus 0,1 Prozent in Erwägung gezogen.

Es wäre ein Strafzins, der die Banken davon abhalten soll, Geld zur Zentralbank zu tragen, statt Kredite an Unternehmen und Verbraucher vor allem in den Krisenländern weiterzureichen, um damit die Wirtschaft anzukurbeln. Doch so banal ist es nicht: Die Banken legen Geld nur über Nacht bei der EZB an, nicht etwa für Tage, Wochen oder Monate. Damit können sie die Geldversorgung durch die EZB steuern. Bei der Notenbank ist das Geld absolut sicher. Deshalb lagen in der Schulden- und Finanzkrise, als sich die Banken – die sich normalerweise gegenseitig Geld leihen – nicht mehr über den Weg trauten, zeitweise mehr als 800 Milliarden Euro auf dem Einlagekonto der EZB. Zuletzt waren es nur noch 180 Milliarden Euro. Auch dies ist ein Zeichen, dass sich die Lage entspannt hat.

Dass ein Negativ-Zins die Kreditvergabe ankurbeln würde, bezweifeln Volkswirte. „Statt das Geld bei der Zentralbank anzulegen, kann eine Bank natürlich auch Bargeld halten“, sagt Michael Schubert von der Commerzbank. Auch Stefan Bielmeier, Chef-Volkswirt der DZ Bank, ist skeptisch. Mit Blick auf den Bilanz- und Stresstest durch die EZB scheuten die Banken weitere Risiken. „Ich glaube deshalb nicht, das ein negativer Einlagesatz die Investitionsneigung oder die Kreditvergabe der Banken groß stimulieren wird.“

Möglicherweise ist der Schritt sogar kontraproduktiv, denn Kredite für Unternehmen und Verbraucher könnten teurer werden. In Schweden senkte die Notenbank vor vier Jahren den Einlagesatz auf minus 0,25 Prozent, in Dänemark sank er im Sommer 2012 ebenfalls kurzfristig auf minus 0,25 Prozent. Damit sollte die gegenüber dem Euro unerwartet starke Krone gebremst werden, die Zinsen am Finanzmarkt sollten sinken. Tatsächlich passierte das Gegenteil. „Die Kreditzinsen in Dänemark sind sogar gestiegen“, sagt Michael Schubert. Der Grund: Für Banken war der Negativzins ein Kostenfaktor, den sie im Kreditgeschäft an Unternehmen und Verbraucher weitergaben.

EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen warnt, man müsse „sehr, sehr vorsichtig“ sein mit Blick auf negative Einlagezinsen. Zunächst einmal wird die EZB wohl abwarten, ob ihre jüngste Zinssenkung wirkt. Ohnehin kann Mario Draghi allein die Kreditvergabe nicht ankurbeln. Dazu ist auch wieder mehr Vertrauen am Markt notwendig. Dies kann nur die Politik durch entsprechende Reformen auf den Weg bringen. Und die Banken, indem sie wieder solide wirtschaften. Genau das will die EZB mit dem Bilanz- und Stresstest im kommenden Frühjahr prüfen. Auch deshalb werden sich die Banken mit der Kreditvergabe zurückhalten, vor allem in den Krisenländern. In Deutschland selbst gibt es aktuell keine Probleme. Wenn die Kreditvergabe an die Unternehmen schleppend läuft, liegt das vor allem daran, dass die Kassen vieler Firmen voll sind und Investitionen aus eigener Kraft gestemmt werden. Rolf Obertreis

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