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Wirtschaft: Streik auf der Baustelle

Der Bonner Ex-Monopolist kämpft mit einer Radikalkur gegen Preisdruck und Regulierung. Jetzt wehren sich die Mitarbeiter. Doch das Unternehmen hat keine Alternative, sagen Politiker und Branchenkenner

Die Telekom kann in der Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft Verdi auf Rückendeckung aus der Politik zählen. Die Telekommunikationsexperten von CDU, SPD und FDP unterstützen den geplanten Personalumbau. „Die Umstrukturierung im Servicebereich der T-Com ist der richtige Weg“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU, Martina Krogmann, dem Tagesspiegel. „Es geht darum, die Arbeitsplätze wettbewerbsfähig zu machen und dadurch langfristig zu sichern.“

So sieht das auch Martin Dörmann, Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für Telekommunikation. Der enorme Kostendruck, unter dem die Telekom stehe, zwinge das Unternehmen zu Sparmaßnahmen. „Es geht einerseits um die Reduzierung der Sachkosten“, sagte Dörmann, „man wird aber auch am Personalbereich nicht völlig vorbeigehen können. Das muss allerdings sozial angemessen erfolgen, Radikalschnitte werden keine Ruhe in die Belegschaft bringen.“ Deshalb seien Kompromisse notwendig. Die Telekom befinde sich in der unkomfortablen Lage, pro Quartal fast 600 000 Kunden zu verlieren, sagte FDP-Medienexperte Hans-Jochen Otto. „Da muss ein Vorstand reagieren, wenn er noch größeren Schaden von dem Unternehmen abwenden will“, sagte er. „Verdi muss sich darauf einstellen, dass ein Arbeitskampf in dieser Situation unter der verschärften Beobachtung der Politik steht.“

Die Telekom will 50 000 Mitarbeiter ab dem 1. Juli in drei neuen Servicegesellschaften beschäftigen, wo sie länger arbeiten und weniger verdienen sollen als bisher. Betroffen sind im Wesentlichen die Mitarbeiter der Festnetzgesellschaft T-Com, die in den Call-Centern arbeiten, sowie die Monteure, die Anschlüsse beim Kunden schalten (technischer Kundendienst) oder Kabel in der Erde verlegen (technische Infrastruktur). Die Telekom argumentiert, dass in diesen Bereichen die am Markt üblichen Vergütungen zwischen 30 und 50 Prozent unter den Telekom-Gehältern liegen. Wenn der Konzern jetzt nicht gegensteuere, sagt Telekom-Chef René Obermann, seien das Unternehmen langfristig nicht wettbewerbsfähig und damit alle Arbeitsplätze in Gefahr. Am Samstag verschärfte Obermann den Ton: „Wenn es zu keiner Lösung mit der Gewerkschaft kommt, könnten wir zu Verkäufen von Service-Sparten gezwungen sein, um die Kosten in den Griff zu kriegen“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Neue Leute will die Telekom nur unter der Bedingung einstellen, wenn sie ihnen weniger bezahlen muss. Verdi lehnte bisher alle Angebote der Telekom ab. Bei längeren und flexiblen Arbeitszeiten zeigt sich die Gewerkschaft zwar kompromissbereit – nicht jedoch beim Gehaltsverzicht. Seit Freitag streiken die Mitarbeiter der Telekom.

Der Streik könnte die Kunden noch weiter verunsichern, befürchtet SPD-Politiker Dörmann. Doch am negativen Image ist Obermann nicht ganz unschuldig. Er hat selbst immer wieder betont, wie prekär die Lage seines Unternehmen sei. „Die Telekom hat in der Vergangenheit Fehler in der Kommunikation gemacht und zu wenig auf die positiven Perspektiven hingewiesen“, kritisiert Dörmann.

„Die Telekom kann auch einen langen Streik verkraften“, meint dagegen Uli Prommer, Telekommunkationsexperte der Beratungsfirma Oliver Wyman. Er glaubt, dass die Stimmung sich am Ende gegen Verdi wenden könnte: „Bei der Telekom geht es nicht um einen Streik von sozial Benachteiligten, sondern es geht um Menschen, die bisher mehr verdienen als andere und die ihren Besitzstand verteidigen wollen.“ Zu den geplanten Einschnitten sieht er keine Alternative. „Europäische Konkurrenten wie Telefónica, Telecom Italia und Vodafone haben deutlich günstigere Mitarbeiter – und keine Beamte“, sagt Prommer. Und die Kosten spielen im Wettbewerb eine entscheidende Rolle. „Die Telekommunikation ist in den nächsten Jahren kein boomendes Geschäft“, sagt der Berater. „Profitables Wachstum ist daher nur durch Effizienzsteigerung möglich, sowohl bei den Sachkosten als auch beim Personal.“ Das sei bei der Telekom genauso wie bei ihren großen Wettbewerbern. „Die ehemals staatseigenen Monopolisten müssen überall Personal abbauen, weil sie Umsatz verlieren.“ Dass sie Umsatz verlieren, ist jedoch politisch gewollt. Denn wenn die Ex-Monopolisten keine Marktanteile abgeben, gibt es keinen Wettbewerb auf dem Markt. Derzeit verfügt die Telekom noch über rund 85 Prozent der Telefonanschlüsse in Deutschland.

Neben dem Wettbewerb und der Regulierung bringt auch der technische Fortschritt das Geschäftsmodell der Telekom in Gefahr: Mit der modernen internetbasierten Netztechnik, auf die die Telekom und die anderen europäischen Telefongesellschaften bis zum Jahr 2012 umstellen, wird es deutlich mehr Leistung für weniger Geld geben. Der Druck auf die Preise wird zunehmen. Die moderne Netztechnik sorgt gleichzeitig dafür, dass künftig noch weniger Mitarbeiter für den Betrieb des Netzes nötig sind als heute. Im Gegensatz zu Telefónica in Spanien oder KPN in den Niederlanden unterliege die Telekom jedoch Restriktionen, die andere nicht haben. „Telefónica und KPN können Leute entlassen, das kann die Telekom nicht“, sagt Berater Prommer.

Wo liegen also die Wachstumschancen? Während der Umsatz im Inland schrumpft, kann die Telekom bei ihrer Mobilfunktochter in den USA immerhin noch auf steigende Umsätze bauen. Im Gegensatz zu den gesättigten Märkten Westeuropas sind die USA im Mobilfunk immer noch ein Wachstumsmarkt. Auch in den wachsenden Märkten Osteuropas ist die Telekom – mit Ausnahme von Russland – relativ stark vertreten.

Weiße Flecken auf der Telekom-Karte sind jedoch die boomenden Märkte in Asien und die Märkte Afrikas. „Investitionen in den sich entwickelnden Märkten sind eine Alternative, aber kein Allheilmittel“, warnt Telekommunikationsexperte Prommer. Die Märkte in Indien, China oder Afrika seien mit großen Risiken behaftet. „In China gibt es zwar ein riesiges Wachstum. Aber der Markt ist sehr zersplittert. Bisher hat noch kein Telekommunikationsunternehmen den Schritt nach China gewagt.“ Zu den begrenzten Wachstumschancen durch regionale Ausbreitung komme hinzu, „dass die reichen Telefongesellschaften im Mittleren Osten – in Dubai und in den Emiraten – auf Einkaufstour gehen und mit oft überzogenen Angeboten die Preise in die Höhe treiben.“ Der Experte ist überzeugt, dass die Telekom zuerst in Deutschland ihre Hausaufgaben machen muss. „Die Telekom muss ihre Effizienz steigern, ihre Technik modernisieren und im Service besser werden“, rät Prommer. Der Service sei ein wichtiges Differenzierungsmerkmal gegenüber Konkurrenten wie Arcor oder Hansenet. „Besserer Service ist kein Hexenwerk“, glaubt er. „Und als Service-Champion wird es der Telekom auch gelingen, eine signifikante Zahl von Kunden zurückzugewinnen.“

Für Konzernchef Obermann sind der geplante Personalumbau und der damit verbundene Streik die Bewährungsprobe. Wenn es nicht gelinge, die Kosten radikal zu senken und den Umsatzschwund zu stoppen, so hat er immer wieder betont, werde es auch nicht gelingen, den Aktienkurs wieder auf ein attraktives Niveau zu bringen. Und dann könnte die Telekom zu einem Übernahmekandidaten werden. Noch ist der Konzern vor einer feindlichen Übernahme geschützt. Denn der deutsche Staat ist mit knapp 32 Prozent der Anteile immer noch größter Aktionär. Das muss nicht von Dauer sein.

„Es bleibt das Ziel, dass der Bund diese Beteiligung langfristig aufgibt“, sagt CDU-Politikerin Krogmann. Und FDP- Mann Otto drückt sogar aufs Tempo: „Es wäre für die Telekom sehr gut, wenn die Anteile so schnell wie möglich in private Hände kämen.“ Doch mit der SPD ist das derzeit nicht zu machen. „Uns als SPD ist es sehr wichtig, dass der Einfluss des Bundes bei der Telekom erhalten bleibt“, sagt Dörmann. „Der Anteil soll nicht unter die magische Grenze von 25 Prozent sinken. Darin sind wir uns in der Partei einig.“ Und solange der Bund bei der Telekom noch etwas zu sagen hat, können die Mitarbeiter immerhin auf einen sozialverträglichen Personalumbau hoffen.

DIE KONKURRENZ IM EIGENEN LAND

CALLCENTER

Der Telekom-Mitarbeiter arbeitet im Servicecenter 34 Stunden pro Woche, hat 30 Tage Urlaub und kommt mit drei Jahren Berufserfahrung auf ein Bruttogehalt von 38 800 Euro im Jahr. Im Kundencenter der Firma Walter Services arbeitet sein Kollege 40 Stunden pro Woche bei einer Sechstagewoche. Er hat 26 Tage Urlaub im Jahr und verdient ein Grundgehalt von 14 500 Euro . Für eine vergleichbare Leistung zum T-Com-Mitarbeiter erhält er 19 000 Euro im Jahr.

TECHNISCHER KUNDENDIENST

Um Anschlüsse bei Kunden zu schalten, beschäftigt die T-Com Monteure , die 34 Stunden in der Woche arbeiten und mit Berufserfahrung 34 900 Euro brutto im Jahr verdienen. Der Konkurrent Hansenet setzt dafür unter anderem eine Firma ein, die ihre Leute nach Leistung bezahlt: Das Grundgehalt bei 40 Stunden pro Woche und 24 Tagen Urlaub beträgt 16 000 Euro im Jahr. Ein „guter“ Monteur schafft 24 000 Euro .

TECHNISCHE INFRASTRUKTUR

Die Mitarbeiter in diesem Bereich verlegen Kabel , installieren und warten das Netz. Bei der Telekom verdient ein Mitarbeiter mit Berufserfahrung bei einer 34-Stundenwoche und 30 Tagen Urlaub 34 900 Euro brutto im Jahr. Die Konkurrenzfirmen Colt oder Arcor setzen für solche Arbeiten unter anderem die Firma Westmontage ein. Dort verdient der Mitarbeiter im Jahr etwa 22 000 Euro brutto – bei 26 Tagen Urlaub und einer 40-Stundenwoche.

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