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Wirtschaft: Stress lässt schrumpfen

Studie: Erwerbslose haben kleinere Kinder.

Von Maris Hubschmid

Tübingen - Arbeitslosigkeit kann erstaunlich weitreichende Auswirkungen haben. Offenbar werden Kinder von Eltern, die keine Arbeit haben, nicht so groß wie andere. Das haben Forscher der Universität Tübingen festgestellt, wie die Uni am Dienstag mitteilte.

Zusammen mit dem Landesgesundheitsamt Brandenburg beobachteten die Wissenschaftler über zwölf Jahre lang das Wachstum von Erstklässlern im Zusammenhang mit der beruflichen Situation ihrer Eltern. Mehr als 250 000 Kinder wurden bei ihrer Einschulung gemessen, dazu dokumentierte das Amt neben Alter und Geschlecht sozioökonomische Faktoren zum Umfeld der Grundschüler. Dabei zeigte sich: Kinder, von denen ein oder beide Elternteile arbeitslos waren, maßen im Schnitt ganze 1,5 Zentimeter weniger als Gleichaltrige mit berufstätigen Eltern.

Wie kann das sein? „Das geringere Einkommen spielt eine nachgeordnete Rolle“, sagt Jörg Baten, Kopf der Forschungsgruppe. An zu wenig Geld für Lebensmittel liegt es also nicht. Vielmehr sieht Baten das unterdurchschnittliche Wachstum in Frustration und psychologischem Stress der Eltern begründet. „Eine angespannte Stimmung zu Hause beeinträchtigt die Verfassung des Kindes“ – der Körper reagiert mit Zurückhaltung. Hinzu komme, dass unzufriedene Eltern stärker mit sich selbst beschäftigt seien als andere. „Das kann die Versorgung der Kinder negativ beeinflussen, wenn Vater und Mutter nicht so sehr auf eine regelmäßige und vollwertige Ernährung achten.“

Weshalb sich Batens Team für die Größen interessierte: Im Lauf der vergangenen 150 Jahre waren die Menschen in Deutschland kontinuierlich größer geworden. Jüngst aber war der Durchschnittswert erstmalig wieder zurückgegangen. Die zunehmend schlechte Arbeitsmarktsituation scheint der Grund dafür zu sein.

Empirisch gesehen haben kleinere Menschen eine geringere Lebenserwartung. „Es gilt die Faustregel: Pro Zentimeter Körpergröße gewinnt oder verliert die Menschheit 1,2 Jahre Lebenszeit“, sagt Baten. Ob das auch heute noch in Deutschland so gilt, will die Uni jetzt herausfinden. Beim Potsdamer Landesgesundheitsamt ist man gelassen. Zwar könnten die Wachstumsdaten langfristig als Indikator für den Wohlstand im Land gelten. Alarmierend seien ein paar Zentimeter im Einzelfall aber wohl nicht. Auch Baten unterstreicht: „Hier geht es um den Durchschnitt einer großen Gruppe. Die Körpergröße eines Einzelnen ist genetisch bedingt und sagt nichts über sein Wohlergehen aus.“ Maris Hubschmid

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