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Anleger in Deutschland sind skeptisch gegenüber Aktien. Das hat auch mit dem Platzen der Dot-com-Blase zu Beginn des Jahrhunderts zu tun.

© picture alliance / dpa

Studie des Bankenverbands: Risiko wird zum Negativ-Begriff

Für die Deutschen ist der Begriff mehrheitlich negativ besetzt. Das ist allerdings nicht nur für Banken ein Problem.

Aktien? Nein, danke. Unternehmer werden? Besser nicht. Digitalisierung? Nur, solange sie mein Auto nicht betrifft. Die Deutschen gelten im internationalen Vergleich als besonders risikoscheu und sicherheitsorientiert. Verbessert hat sich daran in den zurückliegenden Jahren nichts – im Gegenteil. Innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte hat sich Risiko für die Mehrheit der Menschen hierzulande zu einem negativ besetzten Begriff entwickelt. Das geht aus einer Allensbach-Studie im Auftrag des Bundesverbands deutscher Banken hervor, die dem Tagesspiegel vorliegt.

Anfang der 1990er Jahre hätten lediglich 43 Prozent der Bevölkerung mit spontaner Antipathie auf „Risiko“ reagiert, schreiben die Demoskopen. Kurz vor der Jahrtausendwende teilte bereits jeder Zweite die Skepsis. Und in der aktuellen Studie verbinden 60 Prozent spontan eher Ängste damit als Chancen.

Die Studie führt den Trend auf die Erfahrungen der Menschen zurück. Mitte der 1990er stagnierte die Wirtschaft, im Osten war gefühlt mehr kaputtgegangen als neu entstanden. Die Arbeitslosigkeit stieg immer weiter.

Auf die New Economy – die erste Welle der Start-ups – folgten für viele Anleger teils große Verluste durch das Platzen der Dot-com-Blase.

Banken räumen Mitverantwortung ein

Nicht zuletzt trugen die Banken zur Verunsicherung bei. 2008/09 erschütterte ihre Krise die Weltwirtschaft, die Folgen sind spätestens seit 2011 in der Euro-Zone spürbar: Für viele Volkswirte liegen die Wurzeln für die zeitweise dramatische Situation in Irland, Portugal, Spanien, Zypern und vor allem Griechenland in der staatlichen Bankenrettung und den gestiegenen Verschuldungsquoten einzelner EU-Staaten. Befragt nach besonders risikoreichen Branchen nannten die Menschen Banken besonders oft. Als solche sehen sie zwar auch Gentechnik, Chemie- und Pharmaindustrie. Keiner dieser Branchen unterstellen sie aber eine so hohe Bereitschaft zum Risiko (52 Prozent) wie dem Finanzwesen.

Die Banken räumen eine Mitverantwortung ein. Jedoch blende diese Sicht aus, „dass seither viel geschehen ist“, sagt Verbandschef Michael Kemmer. „Es wurden zahlreiche Regulierungsvorgaben umgesetzt, Kapitalpuffer aufgestockt, Risiken abgebaut und das Risikomanagement erheblich verbessert.“ Klar sei aber, dass Bankgeschäfte auch künftig nicht ohne Risiko auskämen.

Selbstfahrende Autos und Flüchtlinge als Gefahr

Wenig tröstlich dürfte es für die Branche sein, dass ein Großteil der Bevölkerung grundsätzlich eine Skepsis dem Unternehmertum gegenüber äußert. Obwohl zwei von drei Befragten überzeugt sind, dass Unternehmer für ihren Erfolg risikobereit sein müssen, halten nur sehr wenige diesen Weg persönlich für erstrebenswert.

Ganze neun Prozent sehen Risikobereitschaft als wichtig für ihr Leben an.

Ein Blick auf künftige Herausforderungen legt den Schluss nahe, dass die Menschen Veränderungen im Alltag als negativ konnotiertes Risiko begreifen. Zwar wünschen sich 39 Prozent Fortschritte bei der Digitalisierung der Wirtschaft. Ein ebenso hoher Anteil fordert, die Forschung am autonomen Fahren zu stoppen – und damit eine konkrete Anwendung für die Digitalisierung. Ähnlich diffus ist das Risikoempfinden angesichts der Zahl von Flüchtlingen: Sechs von zehn Befragten sehen darin eine Gefahr.

Niedrigzinsen treiben Sparer nicht in Aktien

Für die Geldhäuser dürfte aber vor allem eines entscheidend sein: Trotz aller Skepsis ihnen gegenüber können sie darauf hoffen, dass an ihnen im Leben eines Otto-Normal-Bürgers auch künftig kein Weg vorbei führt. Auf der Liste der Dinge, die für ein gutes Leben wichtig sind, rangiert die finanzielle Absicherung weit oben.

Angesichts der Niedrigzinsen geraten Banken und Versicherer zunehmend unter Druck, renditestarke Produkte abseits von Aktien anbieten zu können. Die Banken stünden vor großen Herausforderungen, sagt Kemmer. Beinahe 70 Prozent der Menschen ist hohe Sicherheit wichtiger als hohe Rendite: Aktien? Nein, danke.

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