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8,50 Euro pro Stunde: Nach Vorstellungen der SPD und der Gewerkschaften soll niemand weniger verdienen.

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Mindestlohn: Ist die Lohnuntergrenze löchrig wie ein Schweizer Käse?

Der Kompromiss von SPD und Union scheint das Modell Mindestlohn in einen Schweizer Käse zu verwandeln. Millionen Arbeitnehmer würden leer ausgehen.

Die von der Union geforderten Ausnahmen beim gesetzlichen Mindestlohn könnten nach Berechnungen der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung rund zwei Millionen Menschen treffen. Das wäre weit mehr als ein Drittel der rund fünf Millionen Beschäftigten, die derzeit für einen Stundenlohn unter 8,50 Euro arbeiten, wie das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Stiftung (WSI) am Montag in Düsseldorf berichtete. Die Zahl bezieht sich auf Ausnahmen für Minijobber, Rentner, Schüler, Studenten und hinzuverdienende Arbeitslose; Praktikanten und Auszubildende sind nicht enthalten.
Mit den geforderten Ausnahmen würde der allgemeine Mindestlohn systematisch unterlaufen, kritisierte der WSI-Leiter und Tarifexperte Reinhard Bispinck. Es entstünde ein neuer, eigener Niedriglohnsektor, der sich besonders auf die Branchen Gastgewerbe, Handel und einige Dienstleistungen konzentrieren würde. Es bestehe die Gefahr, dass Mindestlohnbeschäftigte durch andere ersetzt würden, die nicht unter die Regelung fielen. Der Mindestlohn würde so zum "Schweizer Käse".

Nach Einschätzung des Wirtschaftsprofessors Christoph Schmidt könnte ein gesetzlicher Mindestlohn mehrere hunderttausend Arbeitsplätze kosten. "Es dürften auf lange Sicht einige 100.000 Stellen im Niedriglohnbereich wegfallen oder in die Schattenwirtschaft abwandern, wenn es rasch und ohne Differenzierung zu Mindestlöhnen von 8,50 Euro pro Stunde kommt“, sagte Schmidt am Wochenende der "Wirtschaftswoche". Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) warf ihm daraufhin "pure Ideologie" vor. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, vom Mindestlohn dürfe es keine Ausnahmen geben. CSU-Chef Horst Seehofer bekräftigte in München, seine Partei stehe zu den Vereinbarungen im schwarz-roten Koalitionsvertrag.

Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns 2015 mit Übergangsregelungen bis Ende 2016 vereinbart. In der Union wird aber gefordert, Studenten, Rentner, Zeitungsträger, Taxifahrer, Hilfs- und Saisonarbeiter vom geplanten Mindestlohn von 8,50 Euro auszunehmen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat in einem Gutachten davor gewarnt, dass es gegen den grundgesetzlichen Gleichheitsgrundsatz verstoßen könne, wenn bestimmte Gruppen ausgenommen würden. (rtr/dpa)

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