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Wirtschaft: Studieren für Europa

Viele Studiengänge bilden für Jobs in der EU aus. Doch der Weg dorthin ist steinig

Natürlich kennt Christian Kremer die Vorurteile, er bekommt sie oft zu hören. Brüssel? Sitzen dort nicht diese unfähigen Technokraten? Deren Entscheidungen nichts mit unserem Leben zu tun haben? So kann das klingen, wenn er Wähler trifft. Und weil der 35-jährige Politiker bereits seit zehn Jahren dabei ist, hat er jedes Klischee schon unzählige Male widerlegen müssen.

Lästig wird ihm das aber nicht. Nach Brüssel wollte er schon als Teenager, im Vorstand der Jungen Union kümmerte er sich ausschließlich um Europathemen, auch im Studium arbeitete er gezielt darauf hin. Jetzt ist er stellvertretender Generalsekretär der Europäischen Volkspartei (EVP), einer der einflussreichsten Fraktionen im EU-Parlament, und er will bleiben. Momentan sucht er ein Haus, um sich endgültig niederzulassen. „Ich arbeite mit vielen Menschen verschiedener Herkunft zusammen. Jeder bringt seine Kultur mit ein – das ist spannend.“

Karrieren wie die von Christian Kremer gibt es inzwischen einige. Die Universitäten und Fachhochschulen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Angebote entwickelt, die Europa in den Fokus rücken. Das passt zur Reform der Hochschulen. Durch den Bachelor und Master entsteht ein europäischer Hochschulraum, der die Ausbildung internationaler machen soll.

In Leipzig ist vor drei Jahren der Master in European Studies entstanden, er vereint die Wirtschafts- und Politikwissenschaften und umfasst auch Kurse in Religion und Geschichte. Die Bewerber durchlaufen ein Auswahlverfahren und sie müssen gute Kenntnisse in zwei europäischen Fremdsprachen vorweisen. „Unser Studiengang ist sehr breit angelegt“, sagt Stefan Troebst, Professor für Kulturstudien Ostmitteleuropas, „wir versuchen, unseren Studenten möglichst viel Wissen über die einzelnen Teile Europas zu vermitteln.“

An den Universitäten in Passau, Karlsruhe und Magdeburg können Interessierte bereits im Bachelor-Studiengang den Schwerpunkt Europa wählen. Welches Angebot das richtige ist, sollten Studenten allerdings vorab prüfen. Die Inhalte der Studiengänge unterscheiden sich enorm. Obwohl formal alle „European Studies“ heißen, setzt die Uni in Karlsruhe ihren Fokus auf kulturgeschichtliche Inhalte, Münster dagegen bildet für eine Karriere in der Verwaltung einer Institution aus. Manche Studiengänge, die das Label „European“ tragen, bieten nur einzelne Kurse mit Europa-Schwerpunkt an.

Wer unsicher ist, ob der Fokus schon im Bachelor-Studium auf Europa liegen soll, kann an vielen Universitäten auch Wirtschaftswissenschaften, Jura oder Politik studieren und Extra-Kurse in europäischen Themen belegen. Genau so hat es die Tschechin Lucie Zácková gemacht – und damit einen Job bei der Europäischen Kommission ergattert. Hier werden die wegweisenden Richtlinien für Europa entwickelt. Die 32-Jährige arbeitet in der Generaldirektion für Regionalpolitik, wo sie etwa regionale Abteilungen bei der Umsetzung allgemeiner Richtlinien berät. Schon in Tschechien studierte sie Politik mit Schwerpunkt Europastudien. Über ein Stipendium des Goethe-Instituts bekam sie die Möglichkeit, in Bremen ihr Wissen im Fach „Master in European Studies“ zu vertiefen. Der Studiengang dauert zwölf Monate und wird in englischer Sprache gehalten. In zehn Modulen lernen die Studenten unterschiedliche Aspekte kennen: die EU-Institutionen in Brüssel und Straßburg, die wirtschaftlichen Zusammenhänge, die Entstehung europäischer Richtlinien.

So unterschiedlich die Studiengänge, so verschieden sind die Karrieremöglichkeiten der Absolventen. Doch egal, ob es eine Agentur oder eine EU-Institution wird, ein europäisch ausgerichtetes Unternehmen oder die Lobbyarbeit – die EU bietet so viele Möglichkeiten, dass jeder seine eigene Karriere basteln kann. Die Chancen werden weiter wachsen, wie die Einheit der EU – der Klischees und Vorurteile zum Trotz, die die Wähler Brüssel gegenüber immer noch haben.Britta Mersch (HB)

Britta Mersch (HB)

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