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Wirtschaft: Subventionen: Mit falschen Rezepten gegen die Krise

Eine Stadt im Ausnahmezustand. Tausende Demonstranten blockieren die wichtigsten Verkehrsadern, tragen Transparente mit unfreundlichen Sprüchen und zeihen mit zornigen Parolen die Regierung der Lüge.

Eine Stadt im Ausnahmezustand. Tausende Demonstranten blockieren die wichtigsten Verkehrsadern, tragen Transparente mit unfreundlichen Sprüchen und zeihen mit zornigen Parolen die Regierung der Lüge. Bonn, März 1997: Die deutschen Bergleute aus dem Ruhrgebiet protestieren gegen die geplante Kürzung der Kohle-Subventionen. Die Koalition aus Union und FDP will sparen, die Kumpel wollen Zukunft. Das Ergebnis nach zähem Ringen: Das Geld fließt vorerst weiter. Jeden Arbeitsplatz sponsert der Staat noch bis zum Jahre 2005 mit jährlich 70 000 Mark, erst danach ist Schluss.

Dieses war der letzte Streich. Nach dem Streit um die Beihilfen für die deutsche Steinkohle kamen Subventionen und Staatsinterventionen als Mittel der Wirtschaftspolitik allmählich aus der Mode. Auch in vielen anderen Industrieländern zog sich der Staat zurück, sparte, senkte die Steuern, strich Beihilfen zusammen. Bis zum Terror-Angriff auf die USA am 11. September - nun scheinen plötzlich alle Vorsätze Makulatur. US-Präsident George W. Bush sagte den Fluggesellschaften des Landes 15 Milliarden Dollar Unterstützung zu. Die Europäische Union (EU) beeilte sich in der vergangenen Woche, ebenfalls Subventionen für die angeschlagenen Airlines bereitzustellen. Und selbst die liberale Schweiz hilft der in Not geratenen Swissair mit einem großzügigen Millionen-Kredit. Gilt nun das Credo vom freien Wettbewerb nicht mehr? Kommen im Schatten von Krieg und Terror wieder alte Krisenrezepte auf den Tisch?

Es sieht ganz danach aus. Selbst Lenker von Großunternehmen wie Volkswagen-Chef Ferdinand Piëch und Deutsche-Bank-Chef Rolf-E. Breuer bettelten jüngst beim Kanzler um "kaufunterstützende Förderprogramme". In der Brüsseler EU-Kommission wächst daher die Sorge, dass nach der Flug- und der Autobranche bald auch die angeschlagenen Branchen Touristik und Versicherungen nach dem süßen Gift der Subventionen gieren könnten.

Dabei päppeln allein in Deutschland EU, Bund, Länder und Gemeinden schon heute die Wirtschaft mit rund 113 Milliarden Mark. Die meisten Subventionen und Steuergeschenke fließen in die betagten Branchen Bergbau, Landwirtschaft, Verkehr und Wohnungswirtschaft. Rechnet man die Beihilfen an staatseigene Unternehmen wie Deutsche Bahn oder Treuhandanstalt, an Krankenhäuser oder Kultureinrichtungen hinzu, wie es das Kieler Institut für Weltwirtschaft tut, kommt man auf den stattlichen Betrag von 300 Milliarden Mark.

Die Kritik an den staatlichen Alimenten gilt für Fachleute indes nach wie vor: Sie schaden einer Volkswirtschaft mehr als sie nützen. Subventionen verfälschen den Wettbewerb und geben den Anreiz, Wirtschaftskraft auf Märkten von gestern zu vergeuden. Doch nicht nur Hilfen für einzelne Branchen, sondern für ganze Volkswirtschaften werden bei den westlichen Staatslenkern wieder hoffähig. Selbst Kanzler Gerhard Schröder (SPD), bislang in der Wirtschaftspolitik zögerlich, deutete an, man müsse über ein Konjunkturprogramm nachdenken. Wenn die Wirtschaft am Ende des Jahres nicht auf die Beine komme, bestehe wohl "Handlungsbedarf". Vorgemacht hat es wiederum US-Präsident George W. Bush. Mit Steuervergünstigungen und Direktzahlungen an Wirtschaft und Verbraucher, umgerechnet zusammen 160 Milliarden Mark, versucht er, die drohende Rezession als Folge der Terror-Attacken abzuwenden.

Volkswirten treibt das Sorgenfalten auf die Stirn. Denn wirtschaftspolitisch sind Konjunkturprogramme mindestens so unschick wie Subventionen. In den sechziger und siebziger Jahren versuchten Politiker nach der Lehre des britischen Ökonomen John Maynard Keynes, mit staatlicher Konjunkturpolitik Wachstumsdellen auszubügeln und externen Schocks den Schrecken zu nehmen. Doch die Feinsteuerung der Wirtschaft funktionierte nicht, weil sie die staatlichen Institutionen überforderte. Statt Prosperität brachten die milliardenschweren Ausgabenprogramme vor allem Schuldenberge, Inflation und Arbeitslosigkeit.

Bringt eine Rezession dennoch eine Renaissance von Keynes? Ist die Angebotspolitik am Ende? "Der Ruf nach dem Staat ist emotional zwar verständlich", gesteht Rolf J. Langhammer zu, Vizepräsident des Instituts für Weltwirtschaft. "Mittelfristig würde das aber zu Fehlentwicklungen führen. Subventionen und Konjunkturprogramme wecken immer mehr Begehrlichkeiten und verselbstständigen sich eines Tages".

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