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Wirtschaft: Süß, praktisch, billig

So lieben die Deutschen ihr Obst. Sorten wie „Extra Sweet“ und „Easy Peeler“ setzen sich durch

Süß ist, was rot ist. Jedenfalls für den deutschen Obstkäufer. „Die Deutschen erfahren als Kinder, dass der Apfel reif ist, wenn er rot ist“, sagt Frank Vogt von der Bremer Atlanta-Gruppe, einem der wichtigsten deutschen Fruchtimporteure. „Deswegen kann man ihnen auch keine grünen Mangos verkaufen, obwohl es besonders süße und leckere grüne Mangosorten gibt.“ Fruchthandel ist ein anspruchsvolles Geschäft.

Von den sechs Millionen Tonnen Obst, die im vergangenen Jahr in den deutschen Handel kamen, stammen fünf Millionen Tonnen aus dem Ausland. Damit ist Deutschland nach den USA weltweit der zweitgrößte Importmarkt für Früchte. Die Abhängigkeit vom Import merken die Verbraucher an den Preisschwankungen: Steigt etwa der Ölpreis, wird die Anlieferung von Bananen und Orangen teurer. „Angesichts der Rekordpreise für Öl rechnen wir ab Ende Oktober mit Preiserhöhungen für Südfrüchte von bis zu 15 Prozent“, sagte ein Marktkenner der weltweit operierenden Hamburger Importfirma Weichert dem Tagesspiegel.

Der Obstpreis ist von vielen Faktoren abhängig. Wer mit Gewinn Früchte verkaufen will, muss sich mit den Klimabedingungen im brasilianischen Regenwald ebenso auskennen wie im Paragraphendschungel der europäischen Gemeinschaft. Er muss Satsumas von Minneolas unterscheiden können und sich mit tropischen Stürmen wie „Charley“ befassen, der vor gut einer Woche Floridas Zitrusplantagen niedermähte. Vor allem muss ein erfolgreicher Obsthändler die Ansprüche des deutschen Handels und die Wünsche der Verbraucher berücksichtigen. Und die passen nicht immer zusammen.

Das zeigt das Beispiel Ananas. Bis in die Siebzigerjahre kannten die meisten Deutschen sie nur aus der Dose oder als eine Etage von Toast Hawai. In den Achtzigerjahren kam dann die Sorte Champaka in die Geschäfte der Bundesrepublik. „Der Handel war zufrieden damit“, erinnert sich Enrique Nebot vom Fruchtimporteur Weichert, der die Handelsmarke Inter vertreibt. „Man konnte die Champaka leicht eine Woche in der Auslage liegen lassen, ohne dass sie sich äußerlich veränderte.“ Das machte die Champaka zur perfekten Deko in der Cocktailbar. Doch sie schmeckte wie Steckrübe. „Erst durch die zunehmenden Reisen in exotische Länder kamen Urlauber in Kontakt mit frischen Ananas in den Herkunftsländern und merkten, dass mit der Supermarktware etwas nicht stimmte“, sagt Nebot. Seit den Neunzigerjahren haben Sorten wie die süße, aromatische Extra Sweet die Champaka längst aus den Regalen verdrängt.

Die Deutschen lieben ihr Obst generell süß, außerdem soll es bequem zu verzehren und billig sein. Ersteres sieht man am Marktanteil des sauren, leuchtend grünen Apfels Granny Smith, der in den letzten Jahren deutlich gesunken ist. Auch Grapefruits, die man heute im Laden findet, haben wenig gemeinsam mit der sauren Pampelmuse von früher. Während es zum Beispiel die Italiener lieben, wenn sich beim Kosten der sauren Frucht alles zusammenzieht, greifen die Deutschen zur milden rotfleischigen Grapefruit. Oder gleich zu einer Produktinnovation, die findige israelische Züchter ausgetüftelt haben: Sweetie ist eine Kreuzung aus Grapefruit und Pampelmuse, hat eine grüne bis gelbe Schale und schmeckt süß wie ihr Name verspricht.

Der zweite Wunsch, den die Deutschen an ihr Obst haben: Es soll möglichst bequem zu essen sein. Deswegen wurden Trauben so lange gekreuzt, bis irgendwann kernlose Sorten herauskamen. Beliebt sind auch Easy Peeler-Zitrusfrüchte wie Satsumas oder Minneolas: Da fällt die Schale fast von alleine ab.

Aber vor allem achten die deutschen Verbraucher auf den Preis. „Die Discounter haben bei Obst und Gemüse mittlerweile einen Marktanteil von fast 40 Prozent“, sagt Ulrich Boysen, Geschäftsführer des Fruchthandelverbandes. Doch die geschmackliche Qualität der Ware lasse in den Billigmärkten oft zu wünschen übrig, da lang haltbares, aber zu früh geerntetes Obst verkauft werde, kritisiert er. Außerdem biete der Discounter nur eine geringe Sortenauswahl.

Dafür geben die Discounter sinkende Einkaufspreise schnell an den Kunden weiter. So kommen auch Verbraucher mit schmalem Budget in den Genuss von Früchten, die noch vor wenigen Jahren als exotische Delikatessen galten: Manchmal gibt es Mangos schon ab 29 Cent. Hauptsache, sie sind schön rot.

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