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Wirtschaft: Systemfehler

Deutschlands wirtschaftliche Stagnation findet derzeit in einer Vielzahl von Firmenskandalen ihre logische Konsequenz. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass nicht ein Manager aus den Führungsetagen eines bedeutenden Unternehmens in die Schlagzeilen gerät.

Deutschlands wirtschaftliche Stagnation findet derzeit in einer Vielzahl von Firmenskandalen ihre logische Konsequenz. Es vergeht kaum ein Tag, ohne dass nicht ein Manager aus den Führungsetagen eines bedeutenden Unternehmens in die Schlagzeilen gerät.

Volkswagen, einst Symbol deutscher Wertarbeit und des deutschen Wirtschaftswunders, eröffnete die Skandalsaison. Der Vorwurf lautet, Manager des Konzerns hätten die Unterstützung von Betriebsräten mit Geldzuwendungen, Lustreisen und Bordellbesuchen erkauft. Kurz darauf folgten Probleme bei anderen großen deutschen Autoherstellern. Das USJustizministerium ermittelt derzeit gegen die Daimler-Chrysler-Sparte Mercedes. Es geht um den Verdacht, führende Manager hätten in mindestens einem Dutzend Ländern Bestechungsgelder gezahlt und dafür geheime Konten unterhalten. Beim Konkurrenten BMW wurde ein Einkaufsleiter wegen des Verdachts, von einem Zulieferer 100 000 Dollar Schmiergeld angenommen zu haben, verhaftet. Und beim Chiphersteller Infineon wurden im vergangenen Monat im Rahmen einer Großrazzia nicht nur die Konzernzentrale, sondern auch Privathäuser durchsucht. Gegen mehrere Topmanager wurden Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung eingeleitet. Und das sind nur kleine Fische, verglichen mit den Schwierigkeiten der Commerzbank, die von einem Geldwäscheskandal erschüttert wird.

Die Skandale bei den großen deutschen Konzernen erschüttern den Glauben, das Management deutscher Prägung sei dem anderer kapitalistischer Länder überlegen. Das System der paritätisch besetzten Aufsichtsräte räumt Arbeitnehmern und Anteilseignern nahezu gleiche Mitbestimmung ein und zwingt die Manager, sozial verantwortlicher und ehrlicher zu handeln – hatte man geglaubt. Doch das ist falsch.

Die eine Hälfte des Aufsichtsrats ist besetzt mit ehemaligen Managern der Firma oder aktiven Managern „befreundeter“ Firmen – verbunden durch Schachtelbeteiligungen oder gemeinsame Geschäftsinteressen. Diese lauschige Beziehung begünstigt die Solidarität zwischen den Aufsichtführenden und jenen, die zu beaufsichtigen sind – erlaubt aber keine effektive Kontrolle. Die andere Hälfte des Aufsichtsrates besteht aus Arbeitervertretern. Das beschränkt die Freiheit des Managements, vernünftige Geschäftsentscheidungen zu treffen, die mit Arbeitnehmerinteressen kollidieren könnten. Doch die Chancen sind gering, dass Deutschland sein nahezu unantastbares System der Mitbestimmung in naher Zukunft ausrangieren wird. Die effizienteste Methode, Korruption zu bekämpfen, besteht darin, dass Firmen freiwillig effektivere Kontrollen einführen. Das ist dem Schutz von Unternehmensimage, Aktienkurs und Gewinn geschuldet.

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