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Wirtschaft: T-Aktionäre legen nach

Tausende neue Kläger gegen die Deutsche Telekom / Rechtsschutzversicherer müssen zahlen

Berlin (hej/vis). Bestätigt durch zwei neue Gerichtsentscheidungen haben am Donnerstag zahlreiche Aktionäre neue Klagen gegen die Deutsche Telekom angekündigt. „Die Telefone stehen nicht still“, sagte Wolf von Buttlar aus der Tübinger Kanzlei Tilp & Kälberer, die sich auf KapitalanlageProzesse spezialisiert hat. Auch die Wiesbadener Kanzlei Doerr Kühn Plück & Thoeren, die bereits am 12. Mai demonstrativ Klagen von 1500 Telekom-Aktionären beim Landgericht Frankfurt (Main) eingereicht hatte, legt jetzt noch einmal nach. Die Kanzlei bereite inzwischen Klageschriften für weitere 3100 Kläger vor, sagte Anlegeranwalt Ralf Plück dem Tagesspiegel. Einen Teil davon wollen die Wiesbadener Anwälte an diesem Freitag beim Landgericht Frankfurt einreichen. „Bis Montag werden es insgesamt mehr als 5000 Kläger sein“, erwartet Anwalt Plück.

Die neue Klagewelle hatte ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mittwoch ausgelöst. Darin hatte der BGH entschieden, dass Rechtsschutzversicherer die Kosten für Prospekthaftungsklagen von Telekom-Aktionären übernehmen müssen (Az.: IV ZR 327/02). Bislang hatten sich viele Versicherer mit dem Argument geweigert, dass die Schadenersatzprozesse von Kleinanlegern unter das „Recht der Handelsgesellschaften“ fallen und daher von den Versicherungsbedingungen nicht gedeckt seien. Dieser Auffassung hat der BGH jetzt ausdrücklich widersprochen. Allerdings sagt das Urteil nichts über die Erfolgsaussichten der Prospekthaftungsklagen selbst aus.

„Das BGH-Urteil hat uns den Rücken gestärkt“, betont Plück. Nun wendeten sich die Versicherer, die es zuvor abgelehnt hatten, die Kosten für den Rechtsstreit zu übernehmen, an die Kanzlei mit der Bitte, ob man nicht gemeinsam vorgehen könne. „Die Mandanten rennen den Versicherern die Bude ein“, sagt Plück. Denn die Zeit drängt: Am Montag läuft die Verjährungsfrist für die Anleger, die T-Aktien im Rahmen der dritten Tranche gekauft haben, aus. „Mit einigen Versicherern haben wir ein Last-Minute-Verfahren vereinbart. Wir arbeiten deren Mandanten noch bis zur letzte Sekunde in die Klageschriften ein“, sagt Plück.

„Für die Telekom-Aktionäre ist es jetzt fünf vor zwölf“, warnt auch Ulrich Hocker, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS). Denn die Telekom und der Bund hätten bereits erklärt, keinesfalls auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Wer bis Montag nicht mehr klagen kann oder will, kann nach Meinung der DSW die drohende Verjährung aber auch außergerichtlich abwenden. Der Trick: Bis spätestens Montag müssen T-Aktionäre den Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens bei der Öra-Vergleichsstelle in Hamburg stellen. Das hemmt die Verjährung. Zwar hat Telekom-Chef Kai- Uwe Ricke bereits erklärt, dass sich die Telekom einem Vergleich durch die Öra nicht beugen will, aber das Verfahren verschafft den Aktionären Luft. Noch bis zu einem halben Jahr nach Beendigung des Schlichtungsstellen-Verfahrens können T-Aktionäre nämlich noch Prospekthaftungsklagen einreichen.

Bis dahin können sie auch die weitere Entwicklung der Rechtsprechung abwarten. Bisher haben Anleger vor Gericht fast immer den Kürzeren gezogen. Allerdings gewährte das Landgericht Frankfurt am Mittwoch überraschend einem Comroad-Aktionär Schadenersatz (Az.: 3-7 O 47/02, nicht rechtskräftig). Die Richter hielten dem Münchner Telematik-Unternehmen vor, es habe mit erfundenen Geschäftszahlen „eine dauernde positive Anlagestimmung“ beim Käufer hervorgerufen und den Anleger zum Kauf von Comroad-Aktien verleitet. Das Comroad-Urteil ist bundesweit erst die zweite Entscheidung, in der sich Kleinanleger durchsetzen konnten. Das erste anlegerfreundliche Urteil war gegen das Neue-Markt-Unternehmen Infomatec ergangen, aber in der zweiten Instanz wieder aufgehoben worden.

Hinweise und Tipps zum Öra-Schiedsstellen-Verfahren finden Sie unter www.dsw-info.de

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