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Wirtschaft: Tabakwerbeverbot trifft Agenturen

Nach EuGH-Urteil fürchtet Reklamebranche Einschränkungen – die Zigarettenindustrie bleibt gelassen

Berlin - Die deutsche Werbewirtschaft hat vor massiven Einbußen als Folge des am Dienstag vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verfügten Tabakwerbeverbots gewarnt. Pressemedien und Sponsoring gingen 160 Millionen Euro Einnahmen verloren, warnte der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW). Er sprach von einem „dunklen Tag für Europa“. Gelassen reagierte die Zigarettenindustrie. „Wir nehmen das Urteil zur Kenntnis, Umsatzeinbußen erwarten wir nicht“, sagte Wolfgang Hainer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Zigarettenindustrie (VDC), dem Tagesspiegel.

Der EuGH in Luxemburg hatte eine Klage der Bundesregierung gegen die europäische Tabakwerberichtlinie abgewiesen. Die Richtlinie verbietet Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften, Hörfunk und Internet sowie das Sponsoring von Veranstaltungen mit „grenzüberschreitender Wirkung“. Plakat- und Kinowerbung bleiben erlaubt. Im Radio und Fernsehen ist Tabakwerbung in Deutschland seit langem verboten.

Aus Sicht des Markenverbands und der Organisation Werbungtreibende im Markenverband ist das EuGH-Urteil „ein Schlag gegen das verfassungsrechtlich verbriefte Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit“. Markenverbandspräsident Franz-Peter Falke sagte: „Die Entscheidung ist völlig unverständlich und führt zu einem beträchtlichen volkswirtschaftlichen Schaden. Zahlreiche Arbeitsplätze, speziell in der Medien- und Agenturbranche, sind durch dieses Urteil gefährdet.“ Laut ZAW hat der EuGH „eine politische Entscheidung gefällt, die sich am Zeitgeist und nicht am Vertragsrecht der EU orientiert“. Der Werbeverband fürchtet nun Einschränkungen auch für andere Produkte wie Alkohol, Lebensmittel und Autos. Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitschriftenverleger, Dietmar Wolf, sieht nun „weiteren Werbeverboten Tür und Tor geöffnet – mit allen Konsequenzen im Medienmarkt“. Ein Verbot von Alkoholwerbung würde laut ZAW ein Minus von 575 Millionen Euro bedeuten.

Die Zigarettenindustrie lässt sich Anzeigen und Kinospots deutlich weniger kosten. Bei einem Umsatzvolumen von 20 Milliarden Euro beliefen sich die Werbeausgaben zuletzt Schätzungen zufolge auf 50 Millionen Euro. „Die Kommunikation wird schwerer“, räumte VDC-Hauptgeschäftsführer Hainer ein.

In der gesamten deutschen Zigarettenindustrie sind 80 000 Menschen beschäftigt. Ein wichtiger Fertigungsstandort ist Berlin. So beschäftigt Reemtsma hier 440 seiner bundesweit 2400 Mitarbeiter. Rund 25 Milliarden Zigaretten werden im Reemtsma-Werk in Wilmersdorf hergestellt. Philip Morris produziert seit 1972 in Berlin-Neukölln Zigaretten. Aktuell sind hier rund 1100 Mitarbeiter beschäftigt, die mehr als 60 Milliarden Zigaretten produzieren.

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