zum Hauptinhalt
David gegen Goliath - am Frankfurter Flughafen sorgen derzeit wenige Mitarbeiter für massive Einschränkungen.

© Reuters

Tarifkonflikt: Freiheit statt Einheit am Frankfurter Flughafen

Das Grundgesetz gibt 200 Flughafenmitarbeitern in Frankfurt das Recht zu streiken. Die Arbeitgeber würden das gern ändern - gemeinsam mit den großen Gewerkschaften.

Kann das sein? Dürfen 200 Streikende einem 20.000-Mitarbeiter-Konzern das Geschäft verhageln? Ja, sie dürfen und sind in ihrem Tun höchstrichterlich legitimiert: In einem Urteil gestattete das Bundesarbeitsgericht vor anderthalb Jahren solche Arbeitskämpfe mit Hinweis auf die grundgesetzliche Koalitionsfreiheit. Es ist also ohne Belang, wie groß eine Gewerkschaft ist und ob es bereits einen Tarifvertrag in der Firma gibt.

Wenn eine Gruppe sich als Gewerkschaft selbstständig macht und dann einen eigenen Tarif erkämpft, ist jedes Mittel recht. Deshalb können auch die 200 Mitglieder der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF) den Betrieb des Frankfurter Flughafens so lange stören, wie sie möchten. Und da der Arbeitgeber noch nicht annähernd auf die Forderung nach Gehaltserhöhungen um bis zu 50 Prozent eingegangen ist, hat die GdF den Streik bis zum kommenden Freitag verlängert.

Das ist eine gute Gelegenheit für die Kritiker des Bundesarbeitsgerichts, eine halb tote Idee aus der Kiste zu holen: Der Gesetzgeber soll das Prinzip der Tarifeinheit (ein Betrieb, ein Tarifvertrag) festschreiben und so die vom Bundesarbeitsgericht ermöglichte Streikwelle eindämmen. Am Montag hatte das Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt gefordert, am Dienstag legten die kommunalen Arbeitgeberverbände nach. „Zum Schutz vor den Auswüchsen zügelloser Splittergewerkschaften brauchen wir eine gesetzliche Regelung.“ Das hört sich einfach an – und ist bislang trotz guten Willens und mehrfacher Ankündigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht gelungen.

Es ist kompliziert. Da sich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts abgezeichnet hatte, bemühte sich die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände bereits seit 2008 um einen gemeinsamen Gesetzesvorschlag mit dem DGB. Das klappte dann endlich 2010 und sah eine Änderung des Tarifvertragsgesetzes vor mit zwei entscheidenden Punkten: In einem Unternehmen sollte der Tarifvertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern Vorrang haben. Und so lange dieser Tarifvertrag gültig ist, sollten auch die anderen im Betrieb vertretenen Gewerkschaften nicht streiken dürfen. Spätestens bis Anfang 2011 wollte Merkel einen Gesetzentwurf der Regierung vorlegen. Es gibt ihn bis heute nicht.

Unter anderem deshalb, „weil diese Regierung morgen das Gegenteil von dem tut, was sie heute sagt“, klagen die Arbeitgeberverbände (BDA). Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Tatsächlich haben BDA und DGB streng geheim an ihrem Gesetzesvorschlag gebastelt – und damit das Misstrauen von Gewerkschaften außerhalb des DGB provoziert.

So befürchten vor allem der Marburger Bund und die Lokführergewerkschaft, künftig kaum noch Tarife abschließen zu können, wenn sie sich an den größeren Gewerkschaften in ihren Unternehmen oder Krankenhäusern orientieren müssen. Die Koalitionsfreiheit würde ebenso eingeschränkt wie das Streikrecht. Dass die Arbeitgeber das gut finden, ist plausibel. Dass der DGB dabei mitmacht, haben viele nicht verstanden.

Vor allem in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi wurde der Widerstand gefährlich groß. Der Vorsitzende Frank Bsirske musste schließlich umdrehen, und er nahm gleich den ganzen DGB mit. „Der DGB sieht unter den gegebenen Bedingungen keine Möglichkeit, die Initiative von BDA und DGB weiterzuverfolgen.“

Das war im Juni letzten Jahres; seitdem schlummert das Thema. „Die Verantwortung dafür liegt einzig und allein bei den Arbeitgebern“, meint IG-Metall-Chef Berthold Huber. Hundt und sein Strippenzieher Reinhard Göhner (CDU) „konnten in den Regierungsparteien keine Zustimmung organisieren“.

Ein erster, zwischen CDU-Arbeitsministerium und FDP-Wirtschaftsministerium mühsam abgestimmter Entwurf war vom Justizministerium (FDP) nicht abgezeichnet worden. Vielleicht gibt es demnächst einen neuen Versuch. Wegen 200 streikender Vorfeldmitarbeiter auf dem Frankfurter Flughafen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false