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Wirtschaft: Tarifreform im öffentlichen Dienst vor dem Durchbruch

Gewerkschaft Verdi entscheidet Ende Oktober über das Paket. Staatsangestellte sollen stärker nach Leistung bezahlt werden

Berlin - Nach jahrelangen Diskussionen ist nun eine Reform des öffentlichen Tarifrechts möglich. „Wir haben in wesentlichen Eckpunkten Durchbrüche erzielt“, sagte der Verhandlungsführer der Kommunen, Ernst-Otto Stüber, dem Tagesspiegel. Nun liege es an der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, in ihren Gremien die „Durchbrüche“ auch akzeptiert zu bekommen. „Wenn Verdi zum gleichen Ergebnis kommt wie wir, dann ist die Sache gelaufen“, sagte Stüber. Andernfalls wäre das Reformprojekt gestorben, macht der Oberbürgermeister von Bochum und Präsident der Kommunalen Arbeitgeberverbände deutlich.

Im Kern geht es um eine Neufassung des mehr als 40 Jahre alten Bundesangestelltentarifs (BAT), der nicht nur die materiellen Bedingungen der rund drei Millionen Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst regelt. Er strahlt auf viele andere Branchen aus. Arbeitgeber und Gewerkschaft sind sich einig, dass der BAT weder Leistung noch Effizienz der Beschäftigten fördert. Die Entgeltstrukturen im BAT orientieren sich vor allem am Lebensalter und der Familienstruktur der Beschäftigten und nicht an deren Leistungen. Das führt dazu, dass junge, engagierte Fachkräfte eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst als nicht sonderlich attraktiv ansehen.

Neben den Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung prägt das BAT-System auch weitere Wirtschaftsbereiche mit Hunderttausenden weiteren Mitarbeitern: Sparkassen, Flughäfen, kommunale Ver- und Entsorger und Wohlfahrtsverbände orientieren sich am BAT. Aus diesem Grund rechnen sich die Arbeitgeber gute Chancen aus, dass sich Verdi auf einen Kompromiss einlässt.

Verdi-Sprecher Harald Reutter sagte dem Tagesspiegel: „Wir haben die einmalige Chance, jetzt das Tarifsystem zu reformieren. Wenn das nicht gelingt, ist die Chance für viele Jahre vertan.“ Am 20. Oktober will die 130-köpfige Bundestarifkommission der Gewerkschaft über die Reform entscheiden.

Wenn es nicht zu einer Lösung komme, würden die Kommunen weitere Eigenbetriebe ausgliedern und privatisieren, deutet Arbeitgebervertreter Stüber an. Die Arbeitgeber erwarten von der Gewerkschaft, dass sie die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst, die Ende Januar nächsten Jahres auslaufen, nicht kündigt, um die Reform nicht zu verhindern. Das könnte für die Beschäftigten eine Nullrunde im kommenden Jahr bedeuten. Verdi-Sprecher Reutter zufolge denkt die Gewerkschaft derzeit nicht an eine Kündigung, sondern will das neue Tarifwerk anstelle des alten einsetzen. Ob das eine Lohn- und Gehaltserhöhung beinhalte, sei Gegenstand der Verhandlungen, sagte Reutter.

Auf wesentliche Reformpunkte haben sich die Tarifparteien geeinigt: Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst werden künftig nicht mehr nach Familienstand und Alter bezahlt, sondern stärker nach Leistung. Insbesondere junge Leute sollen mit attraktiveren Konditionen als bislang in den Staatssektor gelockt werden können. Die so genannten Entgelttabellen werden entschlackt und reduziert, dabei gilt aber das Primat der Besitzstandssicherung: Wer jetzt im öffentlichen Dienst tätig ist, wird nicht weniger Geld bekommen. „Man wird keinem Arbeitnehmer etwas wegnehmen“, sagte Stüber. Aber für die neu Eingestellten gibt es „leistungs- und ertragsorientierte Bezahlung“. Dieser neue Ansatz in der Entlohnung könnte zum Beispiel durch eine Verrechnung künftiger Tariferhöhungen erreicht werden.

Auch bei der Arbeitszeit ist man sich einig geworden. Eine Ausweitung des Arbeitsvolumens auf 40 Wochenstunden oder darüber hinaus wie bei den Beamten hat die Gewerkschaft Verdi verhindert. Künftig soll aber mit Hilfe von Arbeitszeitkonten flexibler gearbeitet werden; Mehrarbeit wird dann auf Konten verbucht und später in Freizeit ausgeglichen, wodurch die Arbeitgeber Überstundenzuschläge sparen. Alles in allem gibt sich Stüber optimistisch: „Wir kriegen ein Gesamtpaket hin.“

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