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Nichts ging mehr. Mit neun Streiks legte die Lokführer-Gewerkschaft den Schienenverkehr in der Tarifrunde 2014/2015 lahm. Alle Beteiligten wollen das jetzt vermeiden.

© dpa

Tarifrunde 2016: Bloß kein Stillstand bei der Deutschen Bahn

Die Bahn geht in eine neue Tarifrunde. Gut in Erinnerung ist das Streikjahr 2015. Die Gewerkschaften GDL und EVG zeigen sich noch moderat - doch das kann sich schnell ändern.

Es geht schon wieder los: Die Tarifrunde 2016 bei der Deutschen Bahn beginnt. Für den 10. Oktober sind Auftaktverhandlungen mit der Lokführer-Gewerkschaft GDL in Berlin und am 17. Oktober mit der Eisenbahner-Gewerkschaft EVG in Frankfurt am Main angesetzt. Nach außen gelassen, hinter den Kulissen aber unter Hochspannung sieht Bahn-Chef Rüdiger Grube dem Poker entgegen. Denn parallel zu den Verhandlungen über einen Tarifvertrag für 150 000 Beschäftigte der Bahn finden die entscheidenden Gespräche zur Verlängerung von Grubes Arbeitsvertrag statt, der Ende 2017 ausläuft. Eine neue Streikwelle der Lokführer würde Grubes Weiterbeschäftigung akut gefährden.

Aber der Bahn droht kein besonders heißer Herbst. Arbeitgeber und Gewerkschaften gehen mit moderaten Tönen und Forderungen in die Tarifgespräche, in der 45 kleinere und größere Tarifverträge verhandelt werden. Es soll dabei weniger um Geld, sondern vor allem um Arbeitszeit, Überstunden und Altersvorsorge gehen. Es ist auch vielmehr die Erinnerung an die teure und nervende Tarifschlacht 2014/ 2015, die allen Beteiligten noch in den Knochen steckt. Mit neun Streiks zwischen Herbst 2014 und Frühsommer 2015 hatte die GDL den Zugverkehr lahmgelegt. Am Ende der Auseinandersetzung waren erst die Schlichter, Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), in der Lage, den Streit zu beenden.

"Alle Seiten haben ihre Lehren gezogen"

Ein solches Drama will niemand noch einmal erleben. Auch Claus Weselsky nicht, der GDL-Vorsitzende. „Alle Seiten haben ihre Lehren aus dem letzten Tarifstreit gezogen“, sagte Weselsky dem Tagesspiegel. Die GDL habe gekämpft und sei mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Am Ende war 2015 eine – in Stufen ausgezahlte – Lohnerhöhung von 5,1 Prozent herausgekommen. Wichtiger noch: Die Bahn hatte mit GDL und EVG nahezu identische Tarifverträge abgeschlossen. Der Konkurrenzkampf der Gewerkschaften um die Macht im DB-Konzern hatte den Streit eskalieren lassen. Die GDL hatte sich nicht nur als Vertretung der 22 000 Lokführer verstanden, sondern auch des Zugpersonals – der Klientel der EVG.

Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).
Claus Weselsky, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL).

© REUTERS

Auch der Bahn-Vorstand setzt darauf, dass dieses Jahr alles geordnet abläuft. „Ich hoffe, dass die Art und Weise, wie wir die Tarifverhandlungen führen, das zarte Pflänzchen nicht zertreten“, sagt Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber und meint damit nach dem 1,3-Milliarden-Euro-Verlust des Vorjahres erste Erfolge des Programms „Zukunft Bahn“ und erste Fortschritte bei Qualität und Pünktlichkeit. „Die Chancen stehen gut, dass wir zu einer anderen Form der Zusammenarbeit kommen.“ Weber stellt die Tarifrunde unter die Schlagworte Augenmaß und Verantwortung und verweist auf die Beschäftigungsbedingungen, die ihm zufolge „mit die besten in der Branche“ sind. Aber: Die Belegschaft schiebt immer noch einen gewaltigen Berg von Überstunden vor sich her, der nur langsam abgebaut wird. Seit der letzten Tarifrunde ging die Gesamtsumme nach Angaben der Bahn um 1,3 Millionen auf aktuell 6,2 Millionen zurück.

Zwischen GDL und EVG zeichnen sich Konfliktlinien ab

Im Berliner Bahn-Tower fürchtet man sich weniger vor den Lohnforderungen der Arbeitnehmer. Teuer werden könnte es für den Staatskonzern hingegen, wenn er Schicht- und Arbeitszeitpläne nicht mehr „marktorientiert“ den einzelnen Betriebseinheiten überlassen könnte, sondern in einem Tarifvertrag zentral regeln müsste. Rund 100 000 von 190 000 Bahn-Beschäftigten in Deutschland arbeiten im Schicht- und Wechseldienst.

Die GDL hat die Arbeitszeit im Blick. Neben vier Prozent mehr Lohn wollen die Lokführer bessere Arbeitszeiten durchsetzen (zwei zusammenhängende Ruhetage pro Woche, jedes zweite Wochenende frei) sowie eine komplett neue Schichtplanung. Gewerkschaftschef Weselsky nennt „ein Beispiel, das im Güterverkehr häufig vorkommt“: Ein Lokführer beende morgens die Nachtschicht und bekomme dann mitgeteilt, wann er abends wieder zu erscheinen hat. „Da kann man nicht mehr von einem geordneten Leben mit der Familie sprechen“, sagt Weselsky. Dies sei „ein klares Zeichen dafür, dass sich die Bahn aus der festen Schichtplanung zurückgezogen hat – auf dem Rücken der Betroffenen“.

Kommt es doch zum Arbeitskampf?

Die EVG wird an diesem Mittwoch ihre Tarifforderung beschließen. Die Gewerkschaft hatte ihre Mitglieder befragt, ob sie mehr Geld, weniger Arbeit oder mehr Urlaub fordern soll. Auch ging es um Weiterbildung und betriebliche Altersvorsorge. „Wie es scheint, ist die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung nicht für alle Kolleginnen und Kollegen relevant“, sagte EVG-Chef Alexander Kirchner dem Tagesspiegel – und deutet damit eine Konfliktlinie zur GDL an. „Für mehr Geld oder mehr Urlaub spricht sich wohl auch eine große Zahl der Mitglieder aus.“

Kommt es am Ende doch zum Arbeitskampf? Verhaken sich die Tarifpartner bei Arbeitszeit und Schichten, ist die Wahrscheinlichkeit groß. Selbst die moderate EVG zeigt sich kampflustig. Die Frage nach Streiks sei verfrüht, sagt Kirchner. „Klar ist aber: Auch wir kämpfen mit harten Bandagen.“

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