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Straßenkampf? Vielen ist das Taxi zu teuer, anderen zu gewöhnlich. Gegen Konkurrenzangebote geht das klassische Taxigewerbe vor.

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Eine Branche in Bedrängnis: 3000 Taxen in Berlin fahren schwarz

Die Taxibranche ist in Bedrängnis: Alternative Anbieter erobern den Markt. Und schwarze Schafe in den eigenen Reihen setzen dem Ruf zu. An die 3000 Taxen fahren in Berlin schwarz. Viele beziehen Geld vom Arbeitsamt.

Von Maris Hubschmid

Alim Güner sagt, er trinke lieber Red Bull als Sekt. Aber wenn sich in den kommenden Wochen Berlins Behörden zuungunsten des US-amerikanischen Fahrdienstes Uber entscheiden sollten, mache er einen auf. Güner, das bedeutet auf türkisch Morgendämmerung. Da fährt Alim oft durch die schlafende Stadt: kutschiert wild knutschende Paare in ein Hotel oder betrunkene Teenager aus dem Berghain zurück in ihr Kinderzimmer. Güner hat einen Personenbeförderungsschein, Lederbezüge, die er wöchentlich reinigt, und keinen Punkt in Flensburg. Er sei stolz, Taxifahrer zu sein, sagt er.

Das Unternehmen Uber kommt aus San Francisco. In der kalifornischen Metropole ist es oft schwer, ein Taxi zu kriegen. So entstand die Idee, Privatleute, die mit ihrem Auto in der Stadt unterwegs sind, und solche, die dringend von A nach B müssen, zusammenzubringen. Über eine App können Nutzer mitteilen, wo sie sind, bekommen Fahrzeuge in der Nähe angezeigt, die sie auflesen können. Auch die erwartete Fahrzeit zum Ziel und der Fahrpreis werden errechnet. Der liegt in aller Regel unter dem, den eine Taxifahrt kosten würde. Bargeld braucht es keines, die Kreditkarte wird belastet. In 38 Ländern bietet Uber seine Dienste an, in Deutschland in Berlin, Hamburg, München und Frankfurt. Tausende haben sich bereits registriert.

Taxifahrer protestieren bundesweit gegen Uber

Menschen, die potenziell auch in Güners Taxi steigen könnten, sagt der Enddreißiger. Taxifahrer in ganz Deutschland protestieren laut gegen die Konkurrenz aus Amerika. Sie sagen: Uber verstoße gegen das Personenbeförderungsgesetz, das es nur Taxen erlaubt, im Innenstadtbereich Menschen vom Straßenrand mitzunehmen, kommerziell. 213 Millionen Dollar, rund 160 Millionen Euro, verdiente das 2009 gegründete Unternehmen 2013. Ihre Privilegien – wie auch die verminderte Mehrwertsteuer – haben Taxis, weil sie dafür eine Menge Pflichten eingehen: Mindestens 180 Schichten à sechs Stunden muss das Fahrzeug im Jahr auf der Straße sein, Wagen und Fahrer müssen sich regelmäßig Tüv und Tests unterziehen. Vor allem aber: Jeden, egal in welchem Zustand, mitnehmen, auch, wenn die Distanz wenig lohnend ist.

Das Gesetz definiert Taxen als Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs, sie sollen gewährleisten, dass im Sozialstaat Deutschland jeder Bürger rund um die Uhr sicher befördert wird. Alte, Kranke, Müdegelaufene. Das Gesetz ist von 1961. Und genau das kritisiert Uber: „Es wurde geschrieben, bevor es Internet und Handys gab“, sagt Patrick Studener von Uber Deutschland. Uber fühlt sich durch die deutschen Vorschriften im europäischen Recht für Dienstleistungsfreiheit behindert. Das Hamburger Verwaltungsgericht folgte dieser Argumentation und kippte vor gut einer Woche ein Verbot. Nun erwarten Alim Güner und seine Kollegen die Entscheidung des Berliner Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, das untersucht, ob eine Untersagung möglich ist. Auch München und Frankfurt prüfen ihr Vorgehen.

Tatsächlich bekam in Berlin bereits ein Taxiunternehmer recht, der eine einstweilige Verfügung gegen Uber erwirkte. Sie durchsetzen zu lassen, traute er sich bislang nicht. „Wenn sich in einem anschließenden Hauptverfahren die Richter anders entscheiden, könnten Schadenersatzforderungen auf ihn zukommen“, erklärt seine Anwältin Alexandra Decker. Das wirtschaftliche Risiko sei ihrem Mandanten zu hoch. Uber ist längst nicht mehr das Start-up, als das es auftritt: Das Unternehmen wird von Goldman Sachs und Google finanziert, insgesamt stecken knapp 1,2 Milliarden Dollar in der Firma. Nicht wenige meinen, der Internetkonzern wolle das Taxigewerbe ganz verdrängen, um eines Tages auch den Fahrzeugmarkt zu dominieren.

An Messetagen bis zu 100.000 Fahrten pro Tag

Alim Güner sagt: „Wenn wir jetzt nicht einschreiten, ist es zu spät.“

Aktuell gibt es rund 7800 Taxikonzessionen in Berlin. 300 bis 350 Millionen Euro Umsatz macht die Branche pro Jahr. Wenn Kongresse sind, bringt sie es auf 100 000 Fuhren am Tag. An die 2000 Fahrzeuge sind hinzugekommen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten, in denen auch die Stadt kräftig gewachsen ist. Gestiegen sind auch die Preise, die das Land bestimmt: Bei 8,77 Euro für eine Fahrt von drei Kilometern liegt der Preis aktuell in Berlin – bundesweit ist nur München teurer. Setzt man den Preis ins Verhältnis dazu, was eine Fahrt mit Bus oder Bahn kostete, hängt Berlin sogar die Metropolen New York und London ab.

Kein Monopol mehr. Private Konkurrenz macht der Taxi-Branche Probleme.
Kein Monopol mehr. Private Konkurrenz macht der Taxi-Branche Probleme.

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Darum sind alternative Angebote für kostenbewusste Nutzer verlockend. Und auch von der anderen Seite gräbt man den Gelben längst das Wasser ab. Neben den 50 000 Taxen sind bundesweit bereits 20.000 Limousinen unterwegs, bequem buchbar über Apps wie Mydriver oder Blacklane aus Berlin. Von den Taxen haben erst knapp 2000 Ruf-Apps wie Mytaxi installiert. Auch Uber hat einen professionellen Chauffeurdienst, Uber Black, im Unterschied zum Amateurnetzwerk Uber Pop. Da rollt dann eine dunkle S-Klasse vor, ein Chauffeur im Anzug hält die Tür auf, fährt defensiv und redet nur, wenn er angesprochen wird. Es gibt eine Klientel, die für diese Unterschiede gern einige Euro mehr bezahlt.

An die 3000 Berliner Taxen fahren schwarz

„Das ist auch ein Versäumnis unserer eigenen Branche“, sagt Detlev Freutel, Vorsitzender des Taxiverbandes Berlin-Brandenburg. „Als es ein Monopol gab, hat sich keiner darum geschert, was die Kunden wollen.“ Freutel fährt häufig inkognito Taxi und kennt die Mängel. Dass viele Taxen Kunden ohne Bargeld nicht befördern zum Beispiel. Ausgestattet seien längst alle Autos mit Kartenlesegeräten. „Aber die Fahrer erzählen, das Gerät sei kaputt.“ An die 3000 Berliner Taxen führen schwarz. „Viele Fahrer beziehen Geld vom Arbeitsamt, dürfen nur wenig dazuverdienen und wollen Fahrten nicht dokumentiert wissen.“

Die Politik müsse auf stärkere Kontrollen pochen, sagt er. In Hamburg seien Standard und Auslastung besser. In Berlin macht ein Taxi statistisch nur eine Fahrt pro Stunde. „Wir haben nicht zu wenig Taxis, aber zu wenig gute.“

Für Freutel ist klar: Wenn ein Kunde ein schlechtes Erlebnis hat, weil er zum Beispiel am Flughafen kein Taxi findet, das ihn ohne Bargeld mitnimmt, entscheide er sich beim nächsten Mal dagegen. Kritik an Uber hat der Verbandschef zuhauf: Bei Regen oder großer Nachfrage sind die Preise höher, zudem seien Gäste und auch Fahrer im Falle eines Unfalls nur unzureichend versichert. Das mahnt auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft an. Freutel aber hofft, dass Uber der Schuss ist, den in der Branche keiner überhört: „Wir müssen aufwachen.“

Weiterbildung zum "Vip-Driver"

Schon im Januar wurde auf Initiative des Unternehmens Taxi Funk eine Qualitätsoffensive gestartet. Im Rahmen einer zweitägigen Schulung können sich Fahrer zu „Vip-Drivern“ ausbilden lassen. Sie bekommen dann einen Crash-Kurs in Verkehrsrecht und Betriebssicherheit, Technik und Höflichkeit. „Eigentlich Selbstverständlichkeiten“, sagt Freutel. Aber der Bedarf sei da: 22 Prozent, sagt er, schaffen die Prüfung nicht. Und einige Firmen arbeiteten bereits gezielt mit den zertifizierten Fahrern zusammen.

Bis Ende des Jahres sollen 800 von 7800 Taxen mit dem Aushängeschild auf der Straße sein. Alim Güner will sich auch anmelden, obwohl er die Fortbildung nicht für nötig hält. Bleiben noch 6999.

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