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Wirtschaft: Telefon-Labor Niederlande

Ab Dienstag herrscht beim Nachbarn der freie WettbewerbVON DANIEL WETZEL, BRÜSSELAb morgen vewandeln sich die Niederlande in ein gigantisches Telekommunikations-Labor.Wie unter einem Brennglas können Politiker und Telefon-Konzerne dort ab dem 1.

Ab Dienstag herrscht beim Nachbarn der freie WettbewerbVON DANIEL WETZEL, BRÜSSEL

Ab morgen vewandeln sich die Niederlande in ein gigantisches Telekommunikations-Labor.Wie unter einem Brennglas können Politiker und Telefon-Konzerne dort ab dem 1.Juli beobachten, was ein halbes Jahr später in ganz Europa Realität sein wird: der freie Wettbewerb auf dem Telefonmarkt.Vor allem der deutsche Postminister sollte genau hinschauen.Denn der Nachbarstaat durchlebt kurz vor der Verwirklichung der Kommunikationsgesellschaft heftige Geburtswehen - und Kinderkrankheiten sind für die nächsten Monaten vorprogrammiert. Der Deutschen Telekom dreut es erst am 1.Januar 1998 - die niederländischen Kollegen von der PTT Telecom verlieren ihr Fernsprech-Monopol schon morgen.Zwei Konkurrenten stehen in den Startlöchern: Enertel, ein Konsortium regionaler Energiekonzerne, sowie Telfort, ein Zusammenschluß der niederländischen Eisenbahn und der British Telecom.Telfort-Chef Koos van der Meulen gab sich in der vergangenen Woche auf einer Tagung in Brüssel siegesgewiß.Grund: Sein Joint-Venture-Partner British Telecom lebt in Großbritannien schon seit 12 Jahren mit einem liberalisierten Telefonmarkt - und behauptet sich erfolgreich gegen mitlerweile 200 Konkurrenten.Van der Meulen: "Wir haben bereits 1500 Kunden, darunter Shell, Unilver und Philips." Doch unabhängige Marktforscher sehen noch große Steine auf dem Weg. Die Yankee-Group, eine Unternehmensberatung aus Boston, hat den holländischen Telefonmarkt am Vorabend der Liberalisierung unter die Lupe genommen.Ergebnis: Der Markt ist keineswegs so frei, wie es für die neuen Anbieter wünschenswert wäre."Es fehlen eine Reihe politischer Entscheidungen, bevor die Neuen mit Vertrauen vorangehen können", bilanziert Graham Finnie, Direktor der Yankee Group Europe.Um fairen Wettbewerb zu haben, müßten vier Bedingungen erfüllt sein: Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde, niedrige Interconnection-Preise und Lizenzgebühren und der "gleichberechtigte Zugang". Beispiel Regulierungsbehörde: "Ohne eine unabhängige, wettbewerbsorientierte Aufsicht über den Markt wird alles heiße Luft bleiben", so Finnie.Zweifel an der Unabhängigkeit der Marktaufsicht wurden in Holland lange Zeit nicht ausgeräumt: Die Muttergesellschaft der PTT gehörte zu 47 Prozent dem Staat."Es gab daher Klagen, daß das Ministerium es der alten Telecom zu einfach machte und die Startchancen der neuen Anbieter verdarb." Erst kürzlich wurde die Regulierungsbehörde "Onafhakelijke Post en Telecommunicatie Autoriteit (Opta)" geschaffen, mit der auch Enertel und Telfort zufrieden sind.In Deutschland verzögert sich die Schaffung der Regulierungsbehörde weiter, der Streit zwischen Postminister Bötsch und dem Regulierungsrat um die Besetzung des Chefsessels ist nach wie vor ungelöst. Beispiel Interconnection-Tarife.Es gibt in den Niederlanden - wie auch in Deutschland - noch immer keine klare Einigung über die Gebühren, die PTT Telecom berechnen darf, wenn sie ihre Leitungen auch für die Telefongespräche der Konkurrenz zur Verfügung stellt."Der neue Telefon-Anbieter ist der Gnade des alten ausgeliefert", beschreibt Finnie das Ungleichgewicht.Die Interconnection-Gebühren könnten leicht 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten eines neuen Anbieters ausmachen."Es ist blauäugig, auf eine Einigung zwischen den Unternehmen zu warten", zieht Finnie die Lehre: "Man spart Zeit und schafft Klarheit, wenn die Regulierungsbehörde die Tarife vorgibt." Auch beim "gleichberechtigten Zugang" sind die neuen Anbieter diskriminiert.Bei Ferngesprächen etwa muß ein Telfort-Kunde ein "16" vorwegwählen, ein Enertel-Kunde eine "17".Nur die Ferngespräche des alten Monopolisten PTT funktionieren weiterhin ohne lästige Vorwahl.Immerhin: Ab dem 1.1.1999 garantiert PTT, daß ein Kunde, der zur Konkurrenz wechselt, seine alte Telefonnummer behalten darf: Für Geschäftsleute ein unschätzbarer Vorteil.Auch für den Erfolg der deutsche Liberalisierung hängt es ab, daß die Übertragbarkeit von Nummern noch vor dem von der EU gesetzen Datum 2003 garantiert wird.

DANIEL WETZEL[BRÜSSEL]

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