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Hallo Teilnehmer? Ältere Menschen haben Angst, an ihrem Telefon einen falschen Knopf zu drücken und damit horrende Kosten zu verursachen. Darauf reagiert die Branche mit neuen Modellen. Foto: dpa

© ddp

Wirtschaft: Telefonieren, sonst nichts

Immer mehr ältere Menschen greifen zu Seniorenhandys – sie wollen Geräte ohne viel Schnickschnack

Von Maris Hubschmid

Berlin - „Ich wollte Ihnen noch das eingebaute Radio zeigen“, sagt die Verkäuferin. „Machen Sie mir das Gerät nicht madig“, sagt Erna Loeb aus Wilmersdorf. „Ich möchte einfach nur telefonieren, kein Schnickedöns.“ Schon ist die Rentnerin auf dem Weg zur Kasse. Wie ihr geht es vielen älteren Menschen: Sie möchten unterwegs erreichbar sein, und vor allem Angehörige von überall anrufen können. Da können sie kein Gerät gebrauchen, bei dem man Dinge falsch machen kann.

„Das Interesse von Konsumenten jenseits der 60 an Mobiltelefonen wächst stetig“, sagt Martina Koepp, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Gerontotechnik (GGT). „Aber viele fürchten sich zum Beispiel davor, durch versehentliches Tastendrücken horrende Internetgebühren zu verursachen.“

Immer mehr Unternehmen entwickeln darum spezielle Angebote für die sogenannten „Best-Ager“. Die Telekom, die Erna Laub für ein Mobiltelefon begeistern kann, lockt alle Senioren, die bis Ende September bei ihr einen Vertrag abschließen, mit einer kostenlosen Handy-Schulung an der Volkshochschule. „Oftmals ist geringe Technik-Affinität ein Hemmnis“, sagt der Shopleiter. Auch, wer einen Tablet-PC kauft, bekommt den Einführungskurs gratis dazu. Das Angebot werde gut angenommen.

„Früher waren Seniorenhandys ein totales Nischenprodukt, rein zweckmäßig und wenig gefällig", sagt Koepp von der GGT. „Das kann ich ja auch als Keule benutzen“, habe ihr einmal eine alte Dame gesagt, als sie sich ein großformatiges, wenig ansehnliches Gerät vorführen ließ. Mittlerweile sind die Telefone deutlich gefälliger gestaltet. Deshalb sucht man das Wort Senior in den Katalogen von Herstellern wie Nokia und Samsung vergebens. Als „funktional“ und „benutzerfreundlich“ werden Geräte angepriesen, die helle Displays und große Tasten haben. Optisch unterscheiden die sich ansonsten immer weniger von den übrigen. Aus zweierlei Gründen. „Nicht nur die Nutzer haben Angst vor einer Stigmatisierung“, heißt es beim Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). „Auch die Firmen wollen ihr junges, dynamisches Image nicht verlieren.“

339 Milliarden Euro betrug die Kaufkraft von Senioren über 65 Jahren laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung bereits 2008. Bis 2020, prognostiziert das Statistische Bundesamt, wird mehr als die Hälfte aller Bundesbürger älter als 60 Jahre sein – die bedeutendste Verbrauchergruppe. Und deren Konsum- und Abenteuerlust trifft manchen Hersteller überraschend. So wurde die Wii-Spielekonsole, die dem Bewohner dreidimensionale Aktivitäten abverlangt, in etlichen Senioreneinrichtungen zum Hit. Dass Senioren technischen Fortschritt keineswegs scheuen, zeigt neben gut besuchten Computerkursen, wie sie zum Beispiel der Humanistische Verband Deutschlands anbietet, auch die gehäufte Nachfrage nach Gesundheitsprogrammen und Zubehör für das Mobiltelefon: Es gibt Infrarot-Thermometer zum Andocken an das Smartphone und Messmodule, die Blutdruck, Puls oder Blutzucker feststellen.

Zwar sind die Anbieter, die die Sache offensiv angehen, rar: Die schwedische Firma Doro wirbt mit Grauhaarigen für Mobiltelefone, die hörgerätfähig sind, und solche, die statt des normalen Ziffernblocks nur vier Tasten für eingespeicherte Nummern haben. Ebenfalls auf die Zielgruppe spezialisiert ist das österreichische Unternehmen Emporia. Ihr Bestseller, das Emporia Elegance Plus, hat auf der Rückseite eine Taste mit eingeprägtem Herz. Im Notfall gedrückt, wählt das Telefon dann automatisch fünf voreingestellte Nummern nacheinander an, so lange, bis jemand rangeht. Mehrere Designpreise hat das Modell gewonnen. „Das ist ein Seniorenhandy“, sagt Erna Laub auf dem Weg nach draußen zu einer jungen Frau, die das Handy, das Laub soeben erworben hat, in der Auslage betrachtet. „Ach so?", fragt die überrascht.

Das bei Senioren beliebteste Handy, sagt Köpp, sei übrigens das iPhone von Apple – das es nie darauf angelegt hat, ein Alte-Leute-Gerät zu sein. Sondern einfach das ist, was Kunden sich wünschen: Schick und benutzerfreundlich.

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