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Wirtschaft: Telekom-Manager müssen nicht vor Gericht

Staatsanwaltschaft stellt Verfahren ein. Anlegeranwälte sehen aber weiterhin gute Chancen für klagende Kleinanleger

Berlin - Nach fast fünfjährigen Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Bonn das Verfahren gegen Verantwortliche der Deutschen Telekom sowie deren Wirtschaftsprüfer wegen des Verdachts der Falschbilanzierung und des Kapitalanlagebetrugs eingestellt. Im Gegenzug zahlen die Beschuldigten Geldauflagen an die Staatskasse, die Telekom und das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Pricewaterhouse Coopers überweisen hohe Spenden an gemeinnützige Organisationen (siehe Kasten) .

„Die Erkenntnisse hätten für eine Anklage ausgereicht“, sagte Oberstaatsanwalt Friedrich Apostel am Donnerstag. Die Verfahren seien jedoch eingestellt worden, weil auch ein jahrelanger, aufwändiger Prozess kein anderes Ergebnis gebracht hätte, als jetzt mit den Auflagen erreicht worden sei. Apostel betonte, dass die Staatsanwaltschaft weiterhin der Meinung sei, dass es einen hinreichenden Tatverdacht gebe und der Wert der Telekom-Immobilien in den Bilanzen der Jahre 1995 bis 1997 um mehr als zwei Milliarden D-Mark zu hoch angesetzt worden sei. Da die Handlungen jedoch lange zurücklägen und die Beschuldigten an der Aufklärung mitgewirkt hätten, sei eine Anklageerhebung nicht geboten.

Bei Anlegerschützern und -anwälten stößt die Verfahrenseinstellung auf ein gespaltenes Echo. „Das ist kein guter Tag für die Kläger“, sagte Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Jetzt wird es ein ganzes Stück schwerer zu beweisen, dass die Bilanzierung falsch war, da jetzt Zeugenaussagen und Beweisaufnahme fehlen.“ Vor dem Landgericht in Frankfurt am Main verlangen mehr als 15000 Kleinanleger wegen der angeblichen Falschbilanzierung von der Telekom ihr Geld zurück. Die Anleger hatten sich von den Ermittlungen der Staatsanwälte wichtige Erkenntnisse für ihren Prozess, der am 25. Oktober fortgesetzt wird, erhofft.

Dagegen begrüßten mehrere Anwälte, die die Telekom-Aktionäre vor Gericht vertreten, die Verfahrenseinstellung. „Es handelt sich nicht um einen Freispruch“, sagte Andreas Tilp, dessen Kanzlei 400 Schadenersatzklagen gegen die Telekom betreut. Im Gegenteil: Die Verhängung von Geldauflagen zeige, dass die Staatsanwaltschaft von einem hinreichenden Tatverdacht ausgehe. Tilp und seine Kollegen prüfen nun, ob sie nicht auch Telekom-Anlegern, die bisher nicht geklagt haben, zu einer Klage wegen Prospektbetrugs raten sollten. Dieser Tatbestand sei noch nicht verjährt.

„Für uns ist diese Entscheidung sehr positiv“, meinte auch Anwalt Jens-Peter Gieschen, der mehr als 300 Telekom-Aktionäre vertritt. Die Ermittler hätten den Vorwurf der Falschbilanzierung bestätigt. Dass es kein Strafverfahren gebe, sei für die Aktionäre sinnvoll: „Sie müssen nun nicht den Ausgang eines langen Verfahrens abwarten.“ Außerdem habe die Telekom mit ihrer Zustimmung, das Verfahren einzustellen, ihre Schuld eingestanden. „Jetzt kann sie im Zivilprozess nicht mehr das Gegenteil behaupten – oder sie muss es beweisen“, sagte Gieschen. Das sieht der Konzern jedoch anders. Die Telekom legt Wert darauf, dass die Fünf-Millionen-Euro-Spende freiwillig erfolge und kein Schuldeingeständnis sei.

Nach Meinung von Anlegeranwalt Gieschen hat sich die Beweislage – eine der heiklen Fragen in den Zivilverfahren – jetzt eindeutig zu Gunsten der Kläger verändert. Deren Anwälte könnten nun auf das Gutachten aus dem Strafprozess zurückgreifen. Aber auch sämtliche Akten aus den Ermittlungen gegen Ex-Telekom-Chef Ron Sommer, dessen Verfahren bereits in der vergangenen Woche eingestellt worden war, stünden den Anwälten jetzt zur Verfügung. Gegen die Einstellung des Verfahrens gegen Sommer hat Gieschen übrigens Beschwerde eingelegt: „Wir wollen Herrn Sommer vor Gericht sehen“, sagte Gieschen.

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