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Wirtschaft: Telekomfirmen: Zu klein zum Überleben

Die Lage ist nicht nur ernst, sondern dramatisch. "Noch nie habe ich eine Branche gesehen, die aus einer Boomphase so schnell in eine Konsolidierung hinein läuft wie die deutsche Telekommunikationsbranche", sagt Horst Enzelmüller, Chef der Colt Telecom GmbH, Frankfurt (Main).

Die Lage ist nicht nur ernst, sondern dramatisch. "Noch nie habe ich eine Branche gesehen, die aus einer Boomphase so schnell in eine Konsolidierung hinein läuft wie die deutsche Telekommunikationsbranche", sagt Horst Enzelmüller, Chef der Colt Telecom GmbH, Frankfurt (Main). Colt zählt zu den wenigen Telekomfirmen, deren Überleben als sicher gilt. Nach den Insolvenzen von Teldafax, Callino und Star Telecom rechnet Enzelmüller, einer der erfahrensten Telekom-Manager in Deutschland, jetzt mit einem Dominoeffekt unter den Start-ups.

"Viele Unternehmen sind zu klein zum Überleben", hat Jürgen Grützner vom Unternehmerverband VATM festgestellt. Außerdem hätten sich Investoren seit dem Börsencrash zurückgezogen. "Es kann jetzt manches Unternehmen erwischen, das eigentlich einen guten Geschäftsplan verfolgt", fürchtet Bernd Jäger, Gesellschafter der TMI Ventures AG, die in Telekommunikation, Medien und Informationstechnologie investiert. Nach der Euphorie des vergangenen Jahres sind Geldgeber übervorsichtig, wenn ein Telekomunternehmen um Kapital nachsucht. Die Geldnot der Branche haben nach den Erfahrungen des zur Investmentbank CSFB gewechselten Ex-Regulierers Klaus-Dieter Scheurle die meisten Banker noch nicht erkannt.

Bis zum Sommer 2000 hatten dieselben Investoren allerdings auch solche Unternehmen mit Geld überhäuft, deren Geschäftspläne völlig unrealistisch waren. Jäger zählt dazu Telefongesellschaften, die ausschließlich Call-by-Call-Gespräche anbieten. Mögliche Schieflagen erwartet er auch bei Unternehmen, die Ortsnetzverbindungen per Richtfunk oder auf der gemieteten "letzten Meile" der Deutsche Telekom AG anbieten. Jäger ist überzeugt, dass 80 Prozent der deutschen Telekomunternehmen in den nächsten 18 Monaten vom Markt verschwinden werden: 20 Prozent gehen Pleite, die anderen fusionieren. Diese Fusionen werden nicht wie bisher beschleunigtes Wachstum zum Ziel haben. Wie in der Old Economy werden die Starken die Schwachen schlucken. Synergien werden zumeist durch den Abbau von Arbeitsplätzen erreicht. Schon bald wird es eine vierstellige Zahl von Arbeitslosen aus dem Bereich der Telekommunikation geben, heißt es in Branchenkreisen. Dabei ist es erst neun Monate her, dass sich die Unternehmen gegenseitig die Fachleute abwarben.

Wen es wann erwischt, mag niemand offen sagen. Ein Kandidat, GTS, sucht seine Rettung in der Neuausrichtung. Vom Handelsblatt befragt, welche Unternehmen denn in drei Jahren noch vorhanden sein werden, nennen Telekommunikations-Manager die immer gleichen vier: Colt, Worldcom, die in BT Cellnet umbenannte Festnetztochter der Viag Interkom und Arcor. Die ersten Drei haben sich auf Geschäftskunden fokussiert und werden in diesem Jahr mehr als eine Milliarde Mark umsetzen, Arcor führt mit 3,2 Milliarden Mark Umsatz im Jahr 2000 das Feld der 711 bei der Regulierungsbehörde registrierten neuen Anbieter an. Allerdings kann sich auch die deutsche Worldcom-Tochter dem Wachstumseinbruch in den USA nicht ganz entziehen. Der weitere Netzausbau wurde nach Angaben einer Unternehmenssprecherin vorläufig gestoppt. Im Zuge der Zusammenlegung von Worldcom und ihrer Internet-Tochter Uunet werde es auch Entlassungen geben.

Der Konsolidierung des Marktes gewinnt Bernd Jäger auch gute Seiten ab: "Wer das große Aussieben übersteht, hat wirklich überzeugende Geschäftspläne." Der Wermutstropfen: Die meisten enttäuschten Kunden insolventer Firmen dürften zur Telekom zurückkehren, befürchtet Enzelmüller. Der Ex-Monopolist wird so zum eigentliche Gewinner der Konsolidierung.

dri

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