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Testkäufe

© Keystone

Testkäufe: In verdeckter Mission

Im Dienste der Kundenzufriedenheit: Zahlreiche Unternehmen überprüfen ihren Service mit geheimen Testkäufen.

Berlin - Interessiert hält Franziska Kaiser* eine schwarze Stoffhose in die Höhe. Sie ist die einzige Kundin, doch die Verkäuferin der Esprit-Filiale in der Friedrichstraße ignoriert sie konsequent. Als Kaiser aus der Umkleide kommt, geht sie in die Offensive. „Was meinen Sie?“, fragt sie die Verkäuferin. „Nicht schlecht“, antwortet diese. Dabei sitzt die Hose auf der Hüfte deutlich zu eng, denn Kaiser hat bewusst eine zu kleine Nummer gegriffen. Sie entscheidet sich schließlich für eine größere Hose, die sitzt auch nicht besonders, doch Kaiser weiß, dass sie das Stück nachher wieder zurückgeben wird.

Kaiser hat das Einkaufen zum Beruf gemacht, die Berlinerin verdient ihr Geld mit geheimen Testkäufen. „Als richtiger Kunde hätte ich die Hose nicht gekauft“, sagt Kaiser, „da hätte man sich mehr um mich bemühen müssen.“ Das Bekleidungsgeschäft im Quartier 206 war ihre zweite Station an diesem Tag. Zuvor hat sie im Online-Shop von Plus einen Weinkühlschrank bestellt. Zum Mittag gibt es ein Sandwich bei Subway, dann wird sie Brillen bei Apollo in Hohenschönhausen probieren. Zum Schluss prüft Kaiser, wie lange McDonald’s für seine Burger braucht – länger als zwei Minuten sollte sie nicht Schlange stehen.

Drei bis vier Testkäufe erledigt sie normalerweise pro Tag. Manchmal sind es mehr, dafür hält sie sich dann andere Tage frei, um ihre Ergebnisse in Fragebögen einzutragen. Pro Test verdient Kaiser zwischen 7,50 und 49 Euro.

Unter dem Namen Mystery-Shopping sind die verdeckten Qualitätstests in den USA schon seit Jahrzehnten verbreitet, hierzulande nutzen Unternehmen das Instrument erst seit den neunziger Jahren intensiv. Inzwischen boomt das Geschäft: Nach Angaben des europäischen Branchenverbandes Mystery Shopping Providers Association (MSPA) haben die Mitgliedsunternehmen im vergangenen Jahr 210 Millionen Euro umgesetzt. Bis 2010 prognostiziert der Verband ein Wachstum von elf Prozent pro Jahr.

Bei einzelnen Anbietern ist es sogar noch mehr. „Wir haben in diesem Jahr einen Auftragszuwachs von 30 Prozent“, sagt Johannes Broscheid, Geschäftsführer der Kölner Shopcontrol GmbH. Das Unternehmen beschäftigt 18 Mitarbeiter, dazu kommen 20 000 Tester wie Franziska Kaiser. Shopcontrol will eigentlich keine Profitester, da diese die Läden nicht mehr mit den Augen normaler Kunden sehen. Doch wie Kaiser sind viele Tester bei diversen Agenturen registriert und machen daraus quasi einen Vollzeitjob.

Getestet wird quer durch alle Branchen. Besonders gute Kunden sind Banken und Autohäuser, wo es auf die Beratung besonders ankommt. Mit den Testkäufen soll die Servicequalität verbessert werden. Doch es ist schwierig, das den Mitarbeitern zu vermitteln, die sich oft überwacht und ausspioniert fühlen. Daher versucht man, die Mitarbeiter stärker einzubinden und Testphasen im Vorfeld anzukündigen.

„Testkauf-Studien dürfen nicht als alleinige Grundlage für Entlassungen oder Abmahnungen verwendet werden“, heißt es in den Ethikregeln des Branchenverbandes. Trotzdem wird die Methode genutzt, um einzelne Mitarbeiter zu beurteilen. „Es gibt immer wieder solche Anfragen“, bestätigt Maik Stücken, Leiter des Bereichs Mystery Shopping bei TNS Infratest. Sein Unternehmen mache solche Tests nicht, aus Datenschutzgründen müssten sie anonym bleiben. Das sagen alle großen Anbieter. Franziska Kaiser erzählt jedoch, dass sie bei vielen Tests Namen oder Beschreibungen der Mitarbeiter notieren müsse. Im Auftrag einer Elektronikkette wird sie sogar mit Namenslisten losgeschickt und muss sich gezielt Mitarbeiter suchen.

„Das war jetzt schwierig, da mich gleich vier verschiedene Leute bedient haben“, sagt Kaiser beim Sandwich-Laden Subway am Fuße des Fernsehturms. Mit allen hat sie nett geplaudert, denn Kaiser redet gern, schnell und viel. Doch darüber haben die Subway-Mitarbeiter glatt vergessen, dass Kaiser keine Peperoni wollte. Das gibt Abzug.

„Manchmal kann ich das viele Fastfood nicht mehr sehen“, sagt Kaiser. An einem Tag musste sie gleich in sieben Filialen, doch ihre Kinder freuen sich immer wieder über die Tüten voll Burger und Sandwiches. Auch sonst springt so manches Zubrot heraus: Kaisers Haare wurden kürzlich bei einem Friseurtest geschnitten, sie sieht Kinofilme vor dem offiziellen Start und testet regelmäßig ein Fitnessstudio. Ihr Chanel-Parfüm ist ein Testprodukt.

Eigentlich ist Kaiser Künstlerin. Doch ihre Designerkerzen verkaufen sich nur im Winter, auf dem Weihnachtsmarkt. „Daher teste ich jetzt seit zwei Jahren exzessiv“, sagt Kaiser. Die Mittdreißigerin sagt, sie könne davon gut leben. Auf 2000 bis 2500 Euro brutto komme sie im Monat. Auch Medikamententests führt sie durch, denn da gibt es tausend Euro und mehr. Angst vor Nebenwirkungen hat Kaiser nicht. „Ich kann die richtigen Fragen stellen“, sagt die gelernte Krankenschwester.

In ihrem früheren Job wurde Kaiser auch selbst getestet. Mit ihrer Mutter betrieb sie eine Filiale der Kette Blume 2000. „Der Bezirksleiter brachte immer die Testbögen mit, da waren viele fröhliche oder traurige Smileys drauf“, sagt Kaiser. Nachdem sie den Blumenladen aufgegeben haben, arbeitet auch ihre Mutter als Testerin. Als sie einmal ihre Termine nicht abgestimmt haben, ist Kaiser aufgeflogen. „Ich glaube, Sie sind eine Testkäuferin“, sagte ein Autohändler. „Gestern war doch schon eine Frau Kaiser mit ähnlichem Aussehen und gleichen Fragen da.“ Nun starten auch noch ihre Kinder: Die Minderjährigen sollen im Rahmen eines Jugendschutzprojektes durch Läden ziehen und versuchen, Alkohol zu kaufen. Nur ihr Mann verweigert sich noch dem Dauershopping.

(* Name von der Redaktion geändert.)

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