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Wartungsarbeiten an einem Windrad in Brandenburg. Ob der Windstrom an Land an guten Standorten oder näher an den Verbrauchern ausgebaut wird, hat kaum Einfluss auf die Gesamtkosten beim Ausbau erneuerbarer Energien.

© dpa

Energiewende: Teurer Windstrom von der See

Gute Standorte für Wind und Sonne sind nicht günstiger als Erzeugung in der Nähe des Verbrauch. Und auf den Netzausbau müsse auch nicht gewartet werden. Das geht aus einer Studie über die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien hervor.

Nach einem knappen Jahr Streit über die Kosten der Energiewende liegt nun erstmals eine Kostenschätzung darüber vor, wie der Ausbau erneuerbarer Energien volkswirtschaftlich am günstigsten zu haben wäre. Der Energiewende- Think-Tank Agora hat das Beratungsbüro Consentec aus Aachen beauftragt, zu ermitteln, ob ein verbrauchsnaher Ausbau oder ein Ausbau an den energiereichsten Standorten die bessere Strategie wäre. Das Ergebnis „hat uns überrascht“, sagte Agora-Chef Rainer Baake am Dienstag in Berlin. „Es gibt in dieser Frage großen politischen Handlungsspielraum“, sagte er weiter. Denn die Kosten liegen in beiden Fällen nicht allzu weit auseinander.
Dabei ergibt sich für die Zieljahre 2023 beziehungsweise 2033 auch dann kaum ein Unterschied, ob der Ausbau der Hochspannungsnetze schnell oder eher schleppend verläuft. Die Kostenunterschiede sind in allen vier Fällen gering. Die Studie widerspricht damit der Hauptthese von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU), dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zunächst einmal gebremst werden müsse, bis der Netzausbau besser vorangekommen sei. Das ist eine der wenigen Fragen, in der Rösler und Altmaier einig sind. Beide meinen, der Ausbau erneuerbarer Energien müsse "besser mit dem Netzausbau synchronisiert werden".

Die Kosten sinken aber deutlich, argumentiert Baake, wenn die Bundesregierung sich vom Ausbauziel für Windparks im Meer bis 2030 verabschieden sollte. Die Regierung rechnet mit einer Offshore-Wind-Kapazität von 25 Gigawatt bis 2030. Da diese Technologie derzeit die teuerste ist, „ist das ein echter Kostentreiber“, sagte Baake. Deshalb sind in der Studie unter der Überschrift „kostenoptimaler Ausbau“ Offshore-Wind-Kapazitäten von neun bis 14 Gigawatt angenommen worden. Damit werde eine Lernkurve in der Technologie ermöglicht, sagt Baake. Sie werde aber nicht im Anfangsstadium mit den höchsten Kosten massiv ausgebaut – wie das bei der Solarenergie bereits einmal gemacht wurde.
Christoph Maurer von Consentec sieht bis 2033 leichte Kostenvorteile, wenn die Offshore-Energie etwas gedrosselt wird, die erneuerbaren Energien an den günstigsten Wind- oder Sonnenstandorten ausgebaut und das Stromnetz ohne große Verzögerungen ausgebaut wird. Das sind viele Wenns. Als eher unwahrscheinliche Variante hat Consentec berechnet, um wie viel die Kosten für Solaranlagen mit Batteriespeicher fallen müssten, damit dies eine wirtschaftliche Ausbaustrategie wäre. Das wären rund 80 Prozent, sagte Maurer. Und das halten er und Baake für eher unwahrscheinlich.
Baake betonte am Dienstag, dass die Ergebnisse der Studie, deren Ausgangsdaten unter Beteiligung des Bundesumweltministeriums und von vier Landesregierungen erarbeitet worden sind, zwar eine große politische Entscheidungsfreiheit nahe lege. Doch ein Ausbau, der beides versuche, sei sehr teuer. Die Politik müsse entscheiden, welche Ausbaustrategie sie verfolgen wolle, und davon hänge dann auch ab, wie das Erneuerbare Energien Gesetz reformiert werden müsse.
Am Sonntag hat der Chef des Potsdamer IASS-Instituts, Klaus Töpfer, im Tagesspiegel darauf hingewiesen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, die Energiewende kostengünstiger zu gestalten. Wenn die Nachfrage sich stärker nach der nicht kontinuierlichen Stromproduktion von Windparks oder Solaranlagen richten würde, bräuchte es weniger teure konventionelle Ausgleichskraftwerke. Die Nachfragesteuerung wird in Deutschland noch nicht als Beitrag zur Versorgungssicherheit gesehen. Andreas Jahn vom Regulierungs-Think-Tank RAP (Regulatory Assistance Project) findet, dass der Markt für Regelenergie bisher einseitig auf die Erzeugung ausgerichtet sei. „Wenn die Regeln für alle Anbieter gleichberechtigt wären, könnten auch Verbraucher einen entsprechenden Systembeitrag liefern“, sagt er. Diese Nachfrage-Potentiale dauerhaft außen vor zu lassen hielte er für einen volkswirtschaftlich kostspieligen Fehler.

Volkswirtschaftlich lohnt sich auch mehr Energieeffizienz und eine verstärkte Gebäudesanierung. Für die Investoren lohnt sich das aber oft nicht. Wie sich die Finanzierungslücke decken ließe, beraten die Umweltstiftung WWF und die Effizienzinitiative von Unternehmen Deneff nun mit der Finanzwirtschaft. Der WWF hat unter dem Namen "Modell Deutschland" ein umfassendes Energiewende-Szenario erarbeiten lassen. Das Prognos-Institut und das Öko-Institut kommen in diesem Modell zu einem jährlichen Investitionsbedarf in die Gebäudesanierung von 18 Milliarden Euro. Im Schnitt lagen die Investitionen jedoch bei lediglich 14,7 Milliarden Euro. Angesichts der jedes Jahr schwankenden Fördersummen aus staatlichen Haushalten erhoffen sich WWF und Deneff durch ihr Finanzforum Energieeffizienz (effin) Hinweise, wie mehr Geld in die Gebäudesanierung gelenkt werden könnte.

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