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Kambodscha ist im Ausnahmezustand. Nun gab es bei Demonstrationen von Textilarbeitern sogar Tote.

© Reuters

Textilindustrie in Kambodscha: Für eine Handvoll Dollar

Für umgerechnet 58 Euro im Monat nähen Arbeiter in Kambodscha T-Shirts und Schuhe für große Marken wie Nike, H&M oder Walmart. Nun tobt in dem Land ein Kampf um besseren Lohn. Drei Arbeiter bezahlten dafür bereites mit dem Leben.

Von Maris Hubschmid

Sie hätten gerne 116 Euro Lohn im Monat. Dafür kämpfen in diesen Tagen Hunderttausende von Textilarbeitern in Kambodscha. Sie gehen auf die Straße, weil sie von ihrem Verdienst nicht leben können – umgerechnet 58 Euro bekommen sie, wenn sie täglich T-Shirts, Trainingshosen und Schuhe für die westliche Welt zusammennähen. Bei einer Demonstration in der Hauptstadt Phnom Penh sind am Freitag jetzt mindestens drei von ihnen getötet worden. Die Polizei habe das Feuer auf die Arbeiter eröffnet, berichtet die Zeitung „Cambodia Daily“. Die Behörden bestätigten die Toten.

Zwei Drittel der Arbeiter sind im Streik

Obwohl Kambodscha mit 250 deutlich weniger Kleidungsfabriken vorzuweisen hat als zum Beispiel China (18 000), Indien (11 000) und Bangladesh (5000), lassen viele bekannte Firmen wie Nike, Gap, H&M, Levis und Walmart in dem kleinen asiatischen Königreich produzieren. Die Textilindustrie ist wichtig für das Land. Sie macht 80 Prozent der Ausfuhren aus. Rund 650 000 Menschen sind in der Branche tätig, aktuell streiken mehr als zwei Drittel von ihnen für gerechtere Bezahlung. Die meisten Betriebe sind geschlossen. Kambodschanische Arbeitgeberverbände warnen: Wenn das Volk nicht zur Vernunft komme, würden ausländische Investoren sich abwenden und Arbeitsplätze verloren gehen. Die Opposition und einige Mönche dagegen unterstützen das Volk.

Erschöpfung, miese Luft und Ohnmachtsanfälle

Zwar gelten die Bedingungen laut internationaler Arbeitsorganisation ILO als nicht ganz so prekär wie in Bangladesh, wo im April vergangenen Jahres 1100 Menschen beim Einsturz einer Textilfabrik ums Leben kamen. Dennoch fielen häufig Arbeiter in Ohnmacht, heißt es bei den Gewerkschaften, wegen Erschöpfung  – Überstunden sind die Regel, und schlechte Luft.

Seit zwei Wochen schon protestieren Betroffene in Phnom Penh friedlich. In der Nacht auf Freitag hätten Polizisten nun erstmals eine Versammlung gewaltsam aufgelöst, berichten Augenzeugen. Einige Arbeiter hätten sich mit Stöcken bewaffnet und Benzinbomben geworfen. 200 Militärpolizisten seien mit Sturmgewehren auf die Streikenden losgegangen. Die Organisation „Kambodschanische Liga für die Förderung und Verteidigung der Menschenrechte“ spricht von vier Toten und 21 Verletzten. Es sei die „schlimmste staatliche Gewalt gegen Zivilisten in Kambodscha seit 15 Jahren“ gewesen.

Polizei: "Wir erfüllen nur unsere Pflicht"

Fotos im Internet zeigen zwei blutüberströmte Zivilisten. Die Polizei meldet neun verletzte Beamte. Unter etlichen Festgenommenen sollen auch Fotografen der Nachrichtenagenturen AFP und Reuters sein. Oppositionsführer Sam Rainsy erklärte am Freitag, der Einsatz sei ein inakzeptabler Versuch, die Demokratiebewegung zu brechen. Ein Sprecher der Militärpolizei sagte: „Wir erfüllen nur unsere Pflicht.“ Ansonsten drohe Anarchie.

50 Cent mehr pro T-Shirt könnte Existenzgrundlage sichern

Der autoritäre Ministerpräsident Hun Sen ist angeblich bereit, den Mindestlohn auf 69 Euro monatlich anzuheben. Das aber reicht den Arbeitern nicht. „Ihre Forderungen sind nicht überhöht“, sagt Jutta Sundermann von der globalisierungskritischen Organisation Attac. Die Sorge der Machthaber um die Aufträge der Konzerne sei dennoch berechtigt. „Die Erfahrung lehrt, dass die Karawane weiterzieht, wenn sich anderswo billiger produzieren lässt.“ Insgesamt zeigten die europäischen und amerikanischen Unternehmen wenig Einsehen.

Das Abkommen, mit dem Hersteller wie C&A , Zara, Benneton und Kik sich im Mai als Reaktion auf die Katastrophe in Bangladesh zu mehr Sicherheit in Modefabriken verpflichtet haben, entfalte noch wenig Wirkung. „Dabei wäre es den Unternehmen ein Leichtes, das Leben der Arbeiter zu verbessern. Bloß 50 Cent mehr pro T-Shirt könnten ihnen helfen eine Existenzgrundlage zu schaffen." Da seien die Konsumenten, aber auch die Politik gefordert. In Kambodscha wollen die Arbeiter weiter streiken – jetzt erst recht. (mit AFP)

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