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Wirtschaft: Tierseuchen: Siegeszug des Laufvogels

Die südafrikanische Straußenindustrie will aus der europäischen Skandalserie um BSE-Rinder und Hormon-Schweine Kapital schlagen. Der Optimismus scheint berechtigt: die Nachfrage nach südafrikanischem Straußenfleisch hat in den letzten Monaten um mehr als 60 Prozent zugenommen.

Die südafrikanische Straußenindustrie will aus der europäischen Skandalserie um BSE-Rinder und Hormon-Schweine Kapital schlagen. Der Optimismus scheint berechtigt: die Nachfrage nach südafrikanischem Straußenfleisch hat in den letzten Monaten um mehr als 60 Prozent zugenommen. "Obwohl die Lieferungen normalerweise im Januar stark nachlassen, ist die Nachfrage in diesem Jahr sprunghaft gestiegen", sagt Kobus Goosen, Chef von Klein-Karoo Cooperative, einem der weltweit größten Lieferanten von Straußenfleisch. Viele Lieferanten in Oudshoorn, dem Zentrum der Straußenzucht am Kap, sind nicht mehr in der Lage, den Bestellungen nachzukommen.

Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums liefert Südafrika gegenwärtig mehr als 5000 Tonnen der weltweit pro Jahr produzierten 6000 Tonnen Straußenfleisch. Davon verbraucht das Land selbst nur 150 Tonnen, der Rest geht nach Deutschland und in die Schweiz. In guten Jahren werden 300 000 Straußen am Kap geschlachtet. Neben Südafrika gehören - allerdings in kleinem Rahmen - Namibia, Australien und der trockene Südwesten der USA zu den Haupterzeugern des rötlichen Fleisches. Die Preise haben sich durch den Boom bisher kaum erhöht. Südafrikanische Hauptlieferanten wie das Unternehmen Mosstrich wollen die unerwartet starke Nachfrage lieber nutzen, eine größere Zahl Europäer mit Straußenfleisch vertraut zu machen - und möglicherweise als langfristige Kunden zu gewinnen.

Während ein Straußensteak in London oder Paris noch als exotisch gilt, steht es in allen besseren Restaurants in Kapstadt und Johannesburg schon lange auf dem Menü. Feinschmecker schätzen seinen nussigen Geschmack. Straußenfleisch ist aber auch interessant für gesundheitsbewusste Konsumenten. Der Fettanteil eines Steaks liegt bei etwa einem Prozent, die Cholesterinwerte sind mit 60 Milligramm pro 100 Gramm äußerst niedrig.

Gleichwohl sind die bislang produzierten Mengen an Straußenfleisch noch zu gering, um zur echten Konkurrenz zum Rindfleisch zu werden. Als besonderer Nachteil hat sich erwiesen, dass Strauße relativ magere Vögel sind. So liefert ein 90 Kilogramm schweres Exemplar nur 20 bis 25 Kilogramm Fleisch, wovon wiederum nur acht Kilogramm von erstklassiger Qualität sind. Das Fleisch selbst würde für sich nicht ausreichen, um die Zucht der Vögel lukrativ zu machen. Bislang erzielen die Straußenzüchter deshalb 75 Prozent ihres Umsatzes aus dem Lederverkauf. Weggeworfen wird beim Strauß übrigens so gut wie nichts: Der Schnabel wird in der Herzmedizin, der Darm als Wurstpelle und die Sehnen beim Sportbogen verwendet.

Am Kap hat die Straußenindustrie schon mehr als ein Jahrhundert überdauert. Die bis zu 2,60 Meter hohen Laufvögel, die im warmen afrikanischen Klima bis zu 50 Jahre werden können und pro Jahr rund 70 Eier legen, sorgen inzwischen mit ihrem Fleisch und Leder für Exporteinnahmen von einer Milliarde Rand, etwa 300 Millionen Mark. Das einzige Problem der Straußenverarbeitung ist und bleibt jedoch der niedrige Fleischanteil. "Wir haben uns schon den Kopf darüber zerbrochen, einen Truthahn-Strauß zu züchten", erzählt Kobus Goosen mit einem Augenzwinkern. "Doch soweit ich weiß, hat sich bislang noch niemand daran versucht."

Wolgang Drechsler

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