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Geldvernichter. Sparschweine bringen keinen, andere Sparformen nur wenig Zins. Dennoch sehen 69 Prozent der Deutschen keinen Grund, ihre Geldanlage zu überdenken.

© dpa

Top-Banker warnt vor Abstieg im Alter: "Die niedrigen Zinsen bedrohen die Mittelschicht"

Der Chef der Fondsgesellschaft Union Investment sieht den Wohlstand vieler Menschen in Gefahr - und rät Anlegern zu mehr Risiko.

Herr Reinke, Sie warnen vor dramatischen Folgen für die Altersvorsorge, sollten die Anlagezinsen weiter so niedrig bleiben. Was droht?

Das Sparverhalten der Deutschen mit Sparbuch oder Festgeld hat sich in der Vergangenheit bewährt und über Generationen etabliert. Aufgrund der extrem niedrigen Zinsen greifen diese alten Muster nicht mehr. Die Deutschen sparen zwar immer noch viel, sie bilden aber kein Vermögen mehr.

Unterschätzen die Bundesbürger die Konsequenzen?

Unserem Anlegerbarometer zufolge sehen 69 Prozent der Deutschen keinen Grund, ihre Geldanlage im Niedrigzinsumfeld zu überdenken. Das ist alarmierend, weil zwei Drittel der Deutschen die Dramatik des Niedrigzinsumfeldes offensichtlich noch nicht realisiert haben oder keine Alternative sehen. Die niedrigen Zinsen bedrohen langfristig den hart erarbeiteten Wohlstand insbesondere der Mittelschicht. Nur wer sein Sparverhalten anpasst und sein Geld ausgewogener anlegt, wird sein Vermögen vermehren und seinen Lebensstandard sichern können.

Sorgen die Bundesbürger falsch für das Alter vor? Sie sprechen von einer erschreckenden Vermögensallokation.

In der Tat. Nach wie vor sind vier von fünf Euro zinslastig angelegt. 81 Prozent des deutschen Geldvermögens liegen in Einlagen, festverzinslichen Wertpapieren oder kapitalbildenden Versicherungen. Eine Verteilung über verschiedene Anlageklassen findet in der Breite nicht statt.

Hans Joachim Reinke leitet die Fondsgesellschaft Union Investment. Sie ist Deutschlands drittgrößte in der Branche und gehört zu den Volks- und Raiffeisenbanken.
Hans Joachim Reinke leitet die Fondsgesellschaft Union Investment. Sie ist Deutschlands drittgrößte in der Branche und gehört zu den Volks- und Raiffeisenbanken.

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Was droht einem 40-Jährigen, der heute 100 Euro pro Monat in einen Zins-Ansparplan steckt?

Wenn ein heute 40-Jähriger 2004 mit diesem Sparplan begonnen hätte, so hätte er bei seinem Renteneintritt 2041 nach damaligen Zinssätzen mit einem Vermögen von 122 000 Euro kalkulieren dürfen. Mit der Fortschreibung der heutigen Zinssätze käme er nur noch auf 67 000 Euro.

Wie lange – oder um wie viele Jahre weniger – würde das Geld für die Rente reichen?

Würde er sich 700 Euro pro Monat auszahlen lassen, dann wäre sein Vermögen ursprünglich 2065 aufgezehrt gewesen. Er wäre dann 91 Jahre. Mit den heutigen Zinsen wäre das Vermögen schon mit 75, also 16 Jahre früher aufgebraucht.

"Die Deutschen achten zu sehr auf hohe Zinsen."

Wie hoch ist die Einbuße durch das aktuell niedrige Zinsniveau im Vergleich zu normalen Zinsphasen?

Im oben genannten Beispiel sind es 55 000 Euro und damit rund 45 Prozent weniger, als man vor der Niedrigzinsphase erwarten durfte.

Wie sehen die Alternativen aus?

An chancenreicheren Investments führt kein Weg vorbei. Wir wissen um die Risikoaversion der meisten deutschen Anleger und bauen ihnen deshalb Brücken mit Fonds, mit Fondssparplänen oder mit fondsbasierten Lösungen für die Riester- Rente.

Die meisten Anleger scheuen Aktien. Die Erfahrungen des Crashs und der Internet- Blase von Anfang des Jahrtausends scheinen noch nicht überwunden.

Wir werden aus den Deutschen nicht über Nacht ein Volk von Aktionären machen. Was viele bei ihrer Angst vor Aktien übersehen: Es gab noch nie einen Zeitpunkt, mit dem man mit einem Aktienfondssparplan nach 15 Jahren noch im Minus gewesen wäre. Das gilt für alle Zeiträume, alle Crashs wie 2001 und 2008 mit eingerechnet. Im Zehnjahreszeitraum lag das Verlustrisiko bei einer Wahrscheinlichkeit von elf Prozent – die Möglichkeit, eine Rendite von mehr als fünf Prozent zu erzielen, hingegen bei 53 Prozent. Über einen Zeitraum von 20 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit einer fünfprozentigen Mindestrendite sogar auf 87 Prozent – ohne Verlustrisiko.

Sehen Sie die Entwicklung auch bei Union Investment? Wie sieht die Nachfrage nach Aktienfonds aus?

Wir haben uns bereits 2006 von einer Strategie des reinen Produktverkaufs verabschiedet und schauen seitdem immer genauer auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Der Absatzerfolg gibt uns recht. Wir konnten allein im ersten Halbjahr 2014 mit den auf Privatanleger ausgerichteten Fonds netto zwei Milliarden Euro und mit der Riester-Rente eine knappe Milliarde Euro einsammeln. In neue Fondssparpläne investierten Privatanleger mehr als 600 Millionen Euro. Dagegen zogen sie aus reinen Aktienfonds unterm Strich netto 600 Millionen Euro ab.

Was muss getan werden, um mehr Vertrauen in die Börse und Aktien zu wecken?

Wir benötigen auch die Unterstützung der Politik. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die Aktie in Deutschland nicht ständig steuerlich diskriminiert würde. Es begann mit der Abgeltungsteuer und droht sich nun mit der Finanztransaktionssteuer fortzusetzen. Da nimmt es nicht wunder, dass die meisten Dax-Unternehmen inzwischen mehrheitlich ausländische Eigentümer haben. Eigentlich ein Unding: Die deutsche Wirtschaft ist so stark wie nie zuvor, und die Deutschen partizipieren nicht daran.

Wie sollte ein junger Mensch für das Alter vorsorgen? Sich eine Lebensversicherung anschaffen? Investmentfonds? Indexfonds? Aktien?

Er sollte breit diversifizieren, jedoch kann er aufgrund der langen Laufzeiten einen deutlichen Schwerpunkt auf Aktien legen. Eine Einzeltitelauswahl dürfte die meisten Anleger überfordern. Deshalb sollte man generell zu Investmentfonds greifen. Bei Indexfonds muss man wissen, dass man grundsätzlich den Markt nicht schlagen kann, da diese Fonds den Index abbilden und dann noch die Fondskosten abgehen.

Das Gespräch führte Rolf Obertreis.

Hans Joachim Reinke (52) ist Vorstandschef von Union Investment, der drittgrößten Fondsgesellschaft Deutschlands, die zu den Volks- und Raiffeisenbanken gehört.

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