zum Hauptinhalt
Unberührte Strände gibt es zuhauf.

© picture-alliance / OKAPIA KG, Ge

Tourismus: Marokko wartet auf die Deutschen

Das Land will aus den Fehlern anderer lernen. Bettenburgen sind tabu, Geschichte und Natur sollen Touristen anziehen.

So könnte das Paradies aussehen: Blaues Meer, blendend weißer Strand. Mitten in der Lagune erhebt sich eine kleine, grüne Insel, auf der Flamingos leben. Durch das Wasser pflügen Delfine, im Hintergrund zeichnen sich die Sanddünen der Sahara ab. Das ist Dakhla im Süden Marokkos. Doch bislang kommen nur wenige Besucher auf die abgelegene Halbinsel. Flüge gehen nur ab Casablanca, Hotels sind Mangelware. Das soll sich jetzt ändern, sagt der marokkanische Tourismusminister Yassir Zenagui: „Wir machen aus Dakhla ein Premium-Reiseziel.“

Bettenburgen sind tabu. „Wir bauen nicht nur Hotels“, betont Zenagui, „wir entwickeln Destinationen“ – für jedermann. In den neuen Luxusresorts sollen sich die Top-Adressen der internationalen Hotellerie ansiedeln, daneben soll es aber auch Ziele für Reisende mit kleinerem Budget geben. Umweltbewusste und geschichtsinteressierte Touristen will man jetzt verstärkt nach Marokko holen – mit neuen Zielen in den Bergen, auf dem Land und an den Orten, an denen Römer, Griechen und Phönizier ihre Spuren hinterlassen haben.

Vor allem deutsche Urlauber soll das ansprechen. Denn die haben sich im Königreich inzwischen rar gemacht. In den 80er Jahren haben die Pauschalflieger noch scharenweise Sonnenhungrige von Düsseldorf, Hamburg oder Berlin nach Agadir gebracht, heute verbringen die Deutschen ihre Ferien lieber in der Türkei oder in Spanien. Gerade einmal fünf Prozent der Marokko-Reisenden kommen heute noch aus Deutschland. Das soll sich ändern – mit einer Qualitätsoffensive.

Die Fehler, die Spanien und Tunesien gemacht haben, will Marokko unbedingt vermeiden. Während die Nachbarn ihre Küsten mit Hotels zubetoniert haben, will das Königreich seine Strände behutsam entwickeln. Mit dem Mittelmeer im Norden und dem Atlantik im Westen hat das Land gleich zwei Meere zu bieten, hinzu kommen die Berge des Atlas-Gebirges, die Wüsten im Süden und die touristischen Hotspots Marrakesch, Fez und Meknes. „In Marokko kann man morgens auf dem Kamel reiten und am Nachmittag Ski fahren“, schwärmt Zenagui.

Der Minister weiß, was Europäer wollen. 13 Jahre lang hat er als Investmentbanker bei der Deutschen Bank in London gearbeitet. Zenagui spricht fließend Englisch, ist regelmäßiger Gast auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin und würde sein Land gern zu einem der nächsten ITB-Partner machen. Doch die Partnerschaften für die nächsten Jahre sind bereits vergeben: Im nächsten Jahr ist es Polen, 2012 Ägypten, heißt es bei der Messe.

Zenagui bleibt am Ball. In diesem Jahr will er eine Werbekampagne in Deutschland starten. Auch mit dem deutschen Reisebüroverband ist er in engem Kontakt. Denn Marokko ist auf die Touristen angewiesen. Neben der Landwirtschaft ist die Branche der wichtigste Wirtschaftsfaktor im Königreich und liegt dem Regenten besonders am Herzen. Mit seinem „Plan Azur“ wollte König Mohammed VI das Geschäft ausbauen. Im Jahr 2000 kamen gut vier Millionen Touristen nach Marokko, der königliche Plan sah vor, die Zahl der Besucher bis zum Jahr 2010 auf zehn Millionen zu erhöhen. Sechs neue Ferienanlagen sollten gebaut, 1,4 Milliarden Euro investiert werden. Doch dann kam die Wirtschaftskrise. Heute sind mit den Küstenressorts Saidia und Mogador/Essaouira gerade einmal zwei der Projekte fertig.

Zenagui kümmert das nicht. Er hält die Krise für eine Chance. „Wir bauen alle Projekte, aber wir bauen sie anders als geplant“, sagt der Minister. Auf den Klimawandel will man Rücksicht nehmen und einen nachhaltigen Tourismus entwickeln. Bäume sollen gepflanzt und Teiche in den Hotels angelegt werden, in denen spezielle Pflanzen das Wasser reinigen. Wer einen Golfplatz baut, ist gesetzlich verpflichtet, Wasseraufbereitungsanlagen zu betreiben. „Kein Tropfen Trinkwasser“ werde für Golfplätze verschwendet, betont Zenagui.

Das neue Öko-Bewusstsein ist aus der Not geboren. In Marrakesch, in dem die Reichen gern Ferien auf dem Golfplatz machen, muss man inzwischen 45 Meter tief bohren, um auf Grundwasser zu stoßen. Vor zwölf Jahren reichte eine Brunnentiefe von zehn Metern. Hinzu kommt, dass auch die Landwirtschaft immer mehr Wasser braucht. Denn auch für den Agrarbereich hat der König einen Entwicklungsplan beschlossen. Der „Plan Maroc Vert“ sieht steigende Erträge durch eine bessere Bewässerung der Flächen vor.

Nicht nur die Wirtschaftskrise, auch der Terror hat dem Geschäft geschadet. Im Mai 2003 und damit gut eineinhalb Jahre nach den Anschlägen auf das World Trade Center zündeten islamische Terroristen Bomben in Casablanca und töteten zahlreiche Zivilisten. Die Regierung griff hart durch. 2000 Verdächtige wurden inhaftiert, betont Mohammed Khabbachi, Sprecher des Innenministeriums. Auch heute greift die Polizei hart durch. Gleichzeitig setzt man auf Integration. Die staatliche Sozialbehörde INDH lässt Frauen zu Religionsberaterinnen ausbilden, die religiöse Fanatiker bändigen sollen.

Bleibt noch der Dauerkonflikt im Süden, der Westsahara, in der auch Dakhla liegt. Das Land, das einst Spanien gehört hatte, ist in den 70er Jahren von Marokko annektiert worden. Mit Anschlägen hat die von Algerien unterstützte Befreiungsorganisation Polisario versucht, aus der Westsahara einen unabhängigen Staat zu machen. Inzwischen scheint es ruhiger geworden zu sein. Dennoch rät das Auswärtige Amt weiter von Reisen ab – aus Angst vor Anschlägen und Entführungen. Bis dieses Problem gelöst ist, dürfte der Süden ein Reiseziel für Marokkaner bleiben. Und für wagemutige Deutsche.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false