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Hauptstadt der Einflüsterer. Nirgendwo in Europa sind so viele Interessenvertreter und Lobbyisten am Werk wie in Brüssel.

© Reuters

Transparenzregister: Licht hinter den Kulissen

EU-Parlament und -Kommission planen ein Transparenzregister für tausende Lobbyisten in Brüssel. Das Parlament arbeitet an einem Verhaltenskodex, wie es ihn im Bundestag oder im britischen Unterhaus schon gibt.

Der schlechte Ruf Brüssels hat auch damit zu tun, dass an Gebäuden im Europaviertel auf fast jedem Messingschild eine ganze Latte von Interessenvertretungen steht. Auf mindestens 15.000 wird die Zahl der Lobbyisten in der europäischen Hauptstadt geschätzt. Sie treffen sich mit Kommissionsbeamten und Europaabgeordneten, machen Änderungsvorschläge für Gesetze, werden bei Expertenanhörungen zu Rate gezogen. Die einen sehen darin eine für die Demokratie wichtige Form der Interessenbündelung. Die anderen halten es für eine unerträgliche Klientelpolitik – gegen die Interessen des Bürgers.

Transparenz heißt das Zauberwort einer aktuellen Debatte, die beide Positionen zusammenbringen will. Das Europaparlament hat deshalb am Mittwoch beschlossen, zusammen mit der EU-Kommission ein einheitliches Lobbyregister aufzubauen. Bisher gibt es getrennte Anmeldeverfahren. Auf Seiten des Parlaments haben sich 3805 Interessenvertreter angemeldet, auf Seiten der Kommission sind es 3902. Von Juni an werden zusätzlich weitere Angaben erhoben.

Neben ihrem Namen und dem ihrer Organisation müssen die Lobbyisten auch angeben, wie viele Personen in ihren Firmen die EU „bearbeiten“ und welche Budgets dafür zur Verfügung stehen. Das neue Meldesystem heißt nicht mehr Lobbyisten-, sondern Transparenzregister, um auch die vielen Beratungsfirmen oder teils politisch motivierte Denkfabriken vom Mitmachen zu überzeugen. Verpflichtend ist das nämlich weiterhin nur für jene, die dauerhaften Zugang zum Europaparlament wünschen. Ob sich die Zahl der Registrierten mit der neuen Regelung der geschätzten Zahl von Lobbyisten annähert, bleibt somit fraglich. Ausgenommen bleiben etwa auch die Vertretungen der 16 deutschen Bundesländer sowie Parteien und die Kirchen.

Der CDU-Europaabgeordnete und Parlamentsvize Rainer Wieland sieht das Register denn auch eher als Serviceangebot für Interessierte: „Dass es schwarze Schafe gibt, wird sich aber durch keine Regelung verhindern lassen.“ Erst kürzlich hatten drei Abgeordnete als Lobbyisten getarnten Journalisten für eine Zahlung von 100.000 Euro zugesagt, vorformulierte Änderungsanträge in den Gesetzgebungsprozess einzubringen. Sie mussten zurücktreten. Das Parlament arbeitet an einem Verhaltenskodex, wie es ihn im Bundestag oder im britischen Unterhaus schon gibt. Umstritten ist dabei der „legislative Fußabdruck“, den die Abgeordneten künftig öffentlich hinterlassen sollen. Auch der SPD-Abgeordnete Matthias Groote gehört zu denen, die sich in ihrer parlamentarischen Freiheit beschränkt fühlten, wenn sie jeden Schritt ihres politischen Alltags, jedes Treffen samt Namen der Gesprächspartner protokollieren müssten: „Ich bezahle meine Essen selber und habe meine eigenen Regeln von Sitte und Anstand.“

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