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Wirtschaft: Trockenübung in Texas

BP und Shell haben britische und amerikanische Soldaten vor dem Irak-Krieg im Umgang mit Ölquellen trainiert

Von Chip Cummins,

Rumeila,Irak

Die 20 britischen Soldaten, die vor zwei Wochen das irakische Ölfeld Rumeila im Süden des Landes sicherten, hatten bis vor kurzem keine Ahnung von Öl. Die Truppe, die so genannten Royal Engineers, errichten normalerweise Treibstoff-Terminals und -Pipelines für das Militär. Dass sie innerhalb kurzer Zeit auch zu Experten für Ölquellen, deren Betrieb und deren Sicherung wurden, ist nicht zuletzt einer Reihe amerikanischer und britischer Ölkonzerne zu verdanken.

Die Ölindustrie will sich zwar offiziell an Plänen für die Erschließung irakischer Ölfelder in der Nachkriegszeit nicht beteiligen. Immer klarer aber wird, dass amerikanische und britische Unternehmen die Armee vor ihren militärischen Manövern auf den Ölfeldern des Iraks beraten haben. Das wirft Licht auf eine ungewöhnliche enge Zusammenarbeit.

Der Londoner Ölkonzern BP hat den britischen Soldaten die Funktionsweise von Ölfeldern erklärt, bevor diese das Ölfeld Rumeila an der kuwaitischen Grenze eroberten. Ein US-Löschunternehmen aus Houston half bei der Entwicklung von Notplänen für Ölfelder, und Manager der Ölindustrie haben in ihrer Funktion als amerikanische Reserveoffiziere Soldaten und Ingenieurs-Korps der US-Truppen über texanische Ölfelder geführt – als Vorbereitung auf den Krieg.

Es gibt keine Anhaltspunkte, dass eines dieser Unternehmen für seine Beratungsdienste bezahlt wurde. Mitglieder der britischen und der amerikanischen Armee halten die Einmischung der Ölindustrie inzwischen für ziemlich bedenklich. Denn US-Militäringenieure planen seit Monaten mit dem Unternehmen Kellogg Brown & Root den Wiederaufbau der irakischen Ölindustrie. Die Firma ist eine Tochter des US-Ölkonzerns Halliburton.

Das amerikanische Korps der Militäringenieure wird in den kommenden Tagen und Wochen weitere Verträge an Beratungsunternehmen für Ölfelder vergeben.

Unternehmen und Politik sind aus guten Grund darauf bedacht, über ihre Beraterrolle für den amerikanischen und britischen Staat zu schweigen: Sie alle wollen verhindern, dass irgendjemand behaupten kann, die beiden Länder seien für Öl in den Krieg gegen den Irak gezogen. Die Bush-Regierung ist zudem darauf bedacht, nach außen nicht zu eng mit den Ölkonzernen zusammen zu arbeiten. Schließlich haben führende Regierungsmitglieder enge Verbindungen zur Ölbranche. Vizepräsident Dick Cheney war beispielsweise bis zum Jahr 2000 Chef des Ölkonzerns Halliburton. Ebenso wenig haben die Manager der Ölbranche Interesse daran, über die Zusammenarbeit zu reden. Angesichts kämpfender und sterbender Soldaten wollen sie jeden Anschein von Opportunismus vermeiden. Deshalb lehnen sie jede Stellungnahme zu ihren Aktivitäten ab.

Worin bestehen nun die Beratungsdienste der Ölkonzerne? BP-Mitarbeiter hätten einer Reihe von Offizieren und etwa zwanzig Ingenieuren einen Grundkurs über die Funktionsweise von Ölfeldern gegeben, heißt es. Rat, den die Ingenieure gut brauchen konnten, als sie nur wenige Stunden nach der Irak-Invasion vor Ort die ersten Ölfelder sichern mussten. Als in der Abenddämmerung die ersten US-Bodentruppen mit Panzern und gepanzerten Wagen in den Irak vordrangen und irakische Soldaten in die Flucht schlugen, folgten zuerst britische Minenentschärfer, dann die Royal Engineers. Sie verteilten sich sofort auf die 17 Gas-Öl-Trennanlagen und die fünf Pumpstationen des Ölfelds Rumeila. Die Ingenieure schalteten die Pumpstationen ab, schlossen die Ventile und unterbrachen damit den Ölzufluss. So konnten die Experten in Ruhe die Anlagen auf mögliche Sabotageakte hin untersuchen.

Neun Ölquellen seien von irakischen Soldaten vor ihrem Rückzug in Feuer gesetzt worden, heißt es beim Militär. Weitere Quellen seien von irakischen Truppen vermint, aber noch nicht zur Explosion gebracht worden.

Geübt hatten die Ingenieure den Ernstfall in Kuwait. Auch Mitarbeiter des Staatsunternehmens Kuwait Oil hatten Soldaten auf dem Burgan-Ölfeld des Emirates herum geführt, das mit seiner weiten, gestrüppreichen Landschaft an den Irak erinnert.

Auch die Royal Dutch/Shell Group war indirekt an der Truppenvorbereitung beteiligt. Gerade pensionierte Mitarbeiter des Unternehmens, die Reservisten der britischen Armee sind, hätten den Soldaten mit Rat und Tat zur Seite gestanden, heißt es bei britischen Militäringenieuren. Eine Sprecherin von Royal Dutch/Shell sagte, ihr wäre nicht bekannt, dass Mitarbeiter des Unternehmens bei der Vorbereitung der Soldaten helfen.

Das Pentagon wandte sich im vergangenen Herbst direkt an das texanische Ölbrandbekämpfungsunternehmen Boots & Coots International Well Control. Ob das Unternehmen bei der Erstellung von Sicherheitsplänen helfen könne? Die Regierung wollte für den Fall vorsorgen, dass Saddam Hussein das Anzünden der Ölfelder befehlen würde. Das war schon beim ersten Golfkrieg 1991 geschehen. Der Präsident von Boots & Coots International Well Control, Brian Krause, fuhr selbst zur Kommandostelle des Militärs in Florida, um dort mit hohen Tieren die Lage und Gefahren zu erörtern - lange bevor sein Unternehmen einen offiziellen Auftrag zum Löschen brennender Ölfelder im Irak erhielt. „Es war weniger ein Training als eine Informationsveranstaltung über mögliche Schwierigkeiten“, sagte er. Er habe den Offizieren ein paar grundlegende Dinge über die Funktionsweise von Ölfeldern und das Erkennen giftiger Gase vermittelt.

Krauses Instruktionen wurden auf kunststoffbeschichtete Karten gedruckt und wanderten in das Reisegepäck der Soldaten. „Ich haben ihnen eine Art Idioten-Version gegeben", sagte er.

Aus den Zehntausenden, in den vergangenen Monaten eingezogenen Reservisten, wählte das Militär die ehemaligen Manager von Ölkonzernen sorgfältig aus. Die Reservisten hätten Soldaten der Vierten Infanterie-Abteilung der US-Armee in Texas trainiert und mit Soldaten ein Feldtraining auf texanischen Ölfeldern durchgeführt, sagt der Brigadegeneral Robert Crear, Befehlshaber der Südwestlichen Divison des Ingenieur-Korps der US-Armee, die die Federführung beim Wiederaufbau haben soll. „Jede Einheit musste vor ihrem Einsatz im Irak mit einer Ölquelle in Kontakt kommen", sagt er, „wir wollten sicher gehen, dass sie damit vertraut sind, wenn es ernst wird“.

Chip Cummins[Irak], Rumeila[Irak]

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