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© dpa

Twitter: Die zwitschernde Firma

Immer mehr Unternehmen sehen Twitter als Chance für ihre Öffentlichkeitsarbeit – doch es gibt Risiken.

Es ist Punkt sechs Uhr mitteleuropäischer Zeit, als der Menschheit eine eindringliche Botschaft übermittelt wird: „Wenn man direkt nach einer Redbull- Cola einen Kaffee trinkt, schmeckt der wie verschimmelt. Sehr seltsam.“ Seltsam ist auch, dass diese Warnung auf der Internet-Kommunikationsplattform Twitter von Kirstin Walther stammt. Die 38-Jährige ist Inhaberin der Saftkelterei Walthers im sächsischen Arnsdorf – und Twittern ist Teil ihrer Öffentlichkeitsarbeit.

Während US-Unternehmen Twitter bereits systematisch nutzen, experimentieren in Deutschland erst wenige Firmen mit dem neuen Medium. Die Lufthansa etwa verschickt Sonderangebote, die Bahn informiert über Verspätungen und Stellenangebote. „Man kann Twitter als einseitigen Nachrichtenkanal nutzen oder darüber Produkte verkaufen, aber damit nutzt man das Potenzial bei Weitem nicht aus“, sagt Mirko Lange, Chef der PR-Agentur Talkabout. „In Deutschland beginnen die Firmen erst langsam, Twitter als Chance für ihre Kommunikation zu verstehen.“

Unternehmen könnten über Twitter mit ihren Kunden ständigen Kontakt halten, sagt der PR-Fachmann. Die schnellen Kurznachrichten eigneten sich dazu wesentlich besser als Newsletter oder Mails: „Die sind meist zu lang und werden deswegen nicht gelesen.“ Außerdem: Je menschlicher die Nachricht sei, desto mehr Nähe stelle sie zum Kunden her. Der Inhalt müsse dabei nicht immer tiefsinnig sein. Es gehe darum, andere an sich teilhaben zu lassen. „98 Prozent der Dinge, die ich mit meiner Frau oder meinen Freunden bespreche, sind schließlich auch nicht von herausragender Tiefe“, sagt Lange.

Saftproduzentin Walther twittert über die Inhaltsstoffe ihrer Säfte genauso wie über den Nachgeschmack von Erfrischungsgetränken. So verwischt die Grenze zwischen Freundin und Geschäftsfrau. „Die Kunden sollen über Twitter erfahren, dass sie es mit einem Menschen zu tun haben“, sagt die Unternehmerin, die einen Großteil ihrer Säfte über das Internet verkauft. „Dem vertrauen sie vielleicht mehr als einer Firma.“

PR-Berater Lange ist überzeugt, dass auch große Unternehmen sich diesen Effekt zunutze machen können. „Twitter kann einen Tante-Emma-Effekt in den Konzern bringen.“ Trotz der Größe des Unternehmens entstehe eine persönliche Beziehung zwischen Kunden und Unternehmen. Ein Unternehmen könne 40 oder 50 Twitterer haben, die aus ihren jeweiligen Abteilungen berichten.

Der Autobauer Daimler sammelt Erfahrungen mit dieser Methode. Bisher zwitschern dort die Personalabteilung, die PR-Abteilung und der Bereich Business Innovation. „Vor allem junge Leute erreichen wir immer weniger über traditionelle Medien wie Fernsehen und Zeitung“, sagt Uwe Knaus, der bei Daimler für die Internetkommunikation zuständig ist. Die einzelnen Bereiche des Konzerns können bei der PR-Abteilung ein Konzept vorlegen und dürfen dann eigenverantwortlich twittern. Das hebt die Grundsätze der traditionellen Öffentlichkeitsarbeit aus den Angeln: Normalerweise überprüfen die PR-Abteilungen großer Konzerne jede Nachricht, die an die Öffentlichkeit geht.

Laut Nicole Simon, Autorin des Buches „Twitter. Mit 140 Zeichen zum Web 2.0“ steigt damit aber auch die Gefahr, dass nicht betreute Firmenzwitscherer Interna verbreiteten, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht seien. „Nachrichten verbreiten sich über Twitter tsunamiartig. Bei einem börsennotierten Unternehmen könnte das sogar die Aktienkurse negativ beeinflussen“, sagt Simon.

Durch Twitter werden aber nicht nur Firmen transparent, sondern auch private Nutzer. Wer sich etwa seinen Frust über den Telefonanbieter Vodafone von der Seele twittert, bekommt es umgehend mit Vodafone-Pressesprecherin Carmen Hillebrand zu tun – obwohl die Beschwerde an persönliche Freunde adressiert war. Auf Hillebrands Computer poppt das Stichwort „Vodafone“ auf, sobald es im Twitter-Kosmos genannt wird. Dann bietet die Pressesprecherin dem Absender ihre Hilfe an.

Noch ist Twitter für gewerbliche Nutzer genauso kostenlos wie für private. Das könnte sich jedoch bald ändern. Ende Juni sagte Twitter-Gründer Biz Stone, man denke über kostenpflichtige Accounts für Unternehmen nach. Denn obwohl viele Firmen vom Twittern profitieren wollen, schreibt Twitter selbst noch rote Zahlen. 

Frederic Spohr

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