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Buntes Angebot. Einige Städte, hier Tel Aviv, vermarkten sich als tolerante Reiseziele für Schwule und Lesben. Foto: picture-alliance/dpa

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Queere Veranstalter auf der Tourismusmesse ITB: Reisen verkaufen über den Regenbogen

Die Reiseveranstalter buhlen um Schwule und Lesben. Auf der Tourismusmesse ITB in Berlin sind sie so präsent wie nie.

BJosey Greenwell aus den USA und Rodiney Santiago aus Brasilien lassen ihre Muskeln spielen. Und jeder, der vorbeikommt, kann sich mit den beiden Männern in Muscle-Shirts fotografieren lassen. Auf dem Foto, das Besucher der Tourismusbörse ITB dann nach Hause nehmen, ist das Logo der Firma zu sehen, die diesen Service möglich macht: Lufthansa. Deutschlands größte – und sonst eher konservative – Fluggesellschaft hat die beiden Models eingeflogen. Sie zieren das Cover des „Spartacus-Guide“, dem weltweit führenden Branchenbuch der Schwulen-Gemeinde mit Adressen schwuler Hotels, Clubs und Bars. Da ist Lufthansa mit an Bord.

Der „Spartacus“ wird herausgegeben vom Berliner Bruno Gmünder Verlag, der mit 130 Mitarbeitern auch Reisemagazine vertreibt, und daher mit einem Stand auf dem Gay&Lesbian Travel Pavillon (Halle 2.1a) vertreten ist. Der ist in diesem Jahr mit immerhin 200 Quadratmetern Fläche so groß wie nie auf der ITB. Er liegt eingeklemmt zwischen den Ständen Russlands und der Ukraine, was nicht jedem hier behagt. Streit gab es aber bis Freitagnachmittag noch nicht, heißt es.

Abgesehen von dieser Kuriosität in der Standplanung bemühen sich die Veranstalter der ITB sehr um Nähe zur Regenbogenfraktion. Vergangenen September wurde die Leiterin dieses speziellen ITB-Reisesegments auch in den Vorstand der IGLTA (International Gay & Lesbian Travel Association) mit Hauptsitz in Miami berufen. Deren Präsident John Tanzella sagt, der Besuch der ITB sei zwar teuer, lohne sich aber in jedem Fall für seine Organisation. Er wünscht sich, dass mehr Reiseveranstalter, aber auch Airlines und Hotelketten sich offen zeigen für Gäste, die sich wegen ihrer sexuellen Orientierung nicht verstecken müssen. „Schwule und Lesben reisen ja meist nicht anders. Auch sie interessieren sich für Kultur oder Sport. Sie wollen ihren Urlaub nur nicht an einem Ort verbringen, an dem sie angefeindet werden, sobald sie sich zu erkennen geben“, sagt er.

Und dazu müssen Schwule und Lesben offenbar nicht erst nach Moskau oder Saudi-Arabien reisen. Im vergangenen Jahr sorgten schwulenfeindliche Ausschreitungen im kroatischen Split für Aufregung in der Szene, wie ein Reisemagazin jetzt schrieb. Kroatien, das nach den Kriegsjahren wieder zu einem der beliebtesten Ziele der Deutschen wird und in die Europäische Union strebt.

Man könne empirisch nicht seriös sagen, wie viel Umsätze Reiseveranstalter mit Angeboten machen, die sich gezielt an Schwule und Lesben richten, sagt Funktionär Tanzella. In den USA habe der Markt ein Volumen von rund 65 Milliarden Dollar im Jahr. Tendenz steigend. „Wir sind eine Nische, aber eine große.“ Es sei aber erwiesen und naheliegend, dass Homosexuelle einen größeren Teil ihres verfügbaren Einkommens für Reisen ausgeben, da sie oft kinderlos seien.

Das Unternehmen Dertour aus der Rewe Gruppe stellte auf der ITB einen Katalog explizit für schwule und lesbische Reisende vor – als erster großer Reiseveranstalter hierzulande. Die darin angebotenen Hotels könnten so auch in jedem anderen Katalog stehen. Sie werben lediglich mit den Logos „Gay friendly“ oder „Gay only“, bieten also Orientierungshilfe. Beliebte Ziele der Saison sind – laut dem Verband IGLTA – Brasilien und Israel. Und natürlich tolerante Großstädte in aller Welt, wie Berlin. Einige Städte, wie Antwerpen oder Wien, stellen ihre Marketingstrategie auf diese Zielgruppe ein, andere, wie etwa Warschau, nicht, würden aber trotzdem immer beliebter. „Da sieht man, Marketing ist nicht alles“, sagt Tanzella lachend.

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