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Lidl

© dpa

Überwachung: Verdi empfiehlt Lidl-Mitarbeitern Sammelklage

Der Lebensmitteldiscounter Lidl reagiert auf den Überwachungsskandal mit einem Entschuldigungsschreiben an seine Mitarbeiter. Der Gewerkschaft Verdi ist das nicht genug. Sie fordert die Lidl-Angestellten zur Gegenwehr auf.

Die Verdi-Vizevorsitzende Margret Mönig-Rahne empfahl bespitzelten Lidl-Mitarbeitern am Donnerstag, eine Sammelklage auf Schadenersatz gegen den Discounter einzureichen. Außerdem verlangte sie erneut die Einrichtung von Betriebsräten. Lidl wies den Vorwurf der systematischen Überwachung erneut zurück und sprach von "übereifrigen Detektiven". Die SPD im Bundestag brachte eine Verschärfung des Datenschutzgesetzes ins Gespräch.

Mönig-Rahne sagte der Onlineausgabe des Magazins "Stern", sie könne "den betroffenen Lidl-Mitarbeitern nur raten, sich untereinander zu verabreden und gemeinsam zu Verdi zu kommen." Womöglich seien dann Musterklagen gegen Lidl möglich. Gewerkschaftsmitglieder würden in diesem Fall Rechtsschutz erhalten. Im Bayerischen Rundfunk sagte Mönig-Rahne, es sei endlich an der Zeit für Betriebsräte bei Lidl. Ein Betriebsrat könne "sehr klar eingrenzen, wo Beobachtung der Beschäftigten stattfindet und wo es wirklich darum geht, Ladendiebe zu erwischen", betonte sie.

Hansen: Auch Kundendaten ausgespäht

Unterstützung bekam Verdi vom Unabhängigen Lagezentrum für Datenschutz (ULD) in Kiel. Eine systematische heimliche Überwachung ohne konkreten Verdacht eines schwerwiegenden Vergehens verletzte die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer, erklärte ULD-Vize-Chefin Marit Hansen. Sie gab zu bedenken, dass nicht nur die Mitarbeiter betroffen seien, sondern auch Kundendaten durch die Kameras ausgespäht worden sein könnten. So sei auf einigen Aufnahmen der Kameras zu sehen, wie Kunden ihre Geheimzahl in Eingabegeräte eingegeben hätten.

Unterdessen entschuldigte sich das Unternehmen am Donnerstag bei seinen Mitarbeitern. In einem Brief der Lidl-Geschäftsführung heißt es: "Wenn Sie sich in Misskredit gebracht und persönlich verletzt fühlen, so bedauern wir dies außerordentlich und entschuldigen uns dafür bei Ihnen." Das Schreiben ist nach Lidl-Angaben an alle 48.000 Mitarbeiter in Deutschland gegangen. Lidl teilte mit, "Inventurkontrollen", bei denen Detekteien eingesetzt worden seien, habe es in etwa 200 Lidl-Filialen in Deutschland gegeben. Das entspreche etwa acht Prozent des deutschen Filialnetzes. Die Lidl-Sprecherin sagte, es sei um "Warensicherungsmaßnahmen" gegangen.

Lidl-Geschäftsführungsmitglied Jürgen Kisseberth sagte dem Nachrichtensender N24: "Wir reden hier über ein paar Entgleisungen und Einzelfälle, nicht über ein System." Zurzeit stelle sich die Situation für den Konzern so dar, "dass offensichtlich übereifrige Detektive über ihren Auftrag hinaus uns mit Informationen versorgt haben, die wir so nicht wollten", fügte er hinzu. Mögliche Protokolle seien bei Detektiven weder erwartet noch bestellt und auch nicht berücksichtigt worden.

Miniaturkameras installiert

Das Hamburger Magazin "Stern" hatte am Mittwoch berichtet, Lidl habe seine Mitarbeiter systematisch überwachen lassen. So sei in vielen Filialen protokolliert worden, welcher Mitarbeiter wie oft zur Toilette gehe oder wer mit wem womöglich ein Liebesverhältnis habe. Auch seien Aufzeichnungen zu den Fähigkeiten der Mitarbeiter sowie zu deren Charakter gemacht worden. Für die Überwachung hätten von Lidl beauftragte Detektive in den jeweiligen Filialen zwischen zehn und 15 Miniaturkameras installiert. Dem jeweiligen Filialleiter sei dabei erzählt worden, es gehe darum, Ladendiebe aufzuspüren. Tatsächlich hätten die Detektive aber detaillierte Notizen zu den Mitarbeitern gemacht.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD) brachte eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes ins Gespräch. Für Unternehmen wäre es "wohl abschreckender", neben Schadenersatz auch Schmerzensgeld an Mitarbeiter zahlen zu müssen, sagte Edathy dem Sender N24. Bisher ist in dem Gesetz vorgesehen, dass öffentliche Stellen, die zu Unrecht Daten erheben, Schadenersatz und in Einzelfällen auch Schmerzensgeld an die Betroffenen zahlen müssen, bei Privatunternehmen aber nur Schadenersatzklagen möglich sind. Er könne Lidl-Mitarbeitern nur raten, sich an Verdi zu wenden. (feh/dpa/AFP)

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