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Wirtschaft: Umfassende Reformen als Antwort auf die New Economy

Die IG Metall hat die Tarifrunde 2000 abgehakt. Nachdem vergangenen Dienstag der Westabschluss auch in Ostdeutschland übernommen worden ist, strebt sie nun eine umfassende Neuorientierung ihrer Politik an.

Die IG Metall hat die Tarifrunde 2000 abgehakt. Nachdem vergangenen Dienstag der Westabschluss auch in Ostdeutschland übernommen worden ist, strebt sie nun eine umfassende Neuorientierung ihrer Politik an. Die New Economy stelle die Gewerkschaft vor die Aufgabe, ganz neue tarifpolitische Perspektiven zu entwickeln, sagte der Vorsitzende der IG Metall, Klaus Zwickel im Gespräch mit dem Handelsblatt. Er kündigte dazu eine Zukunftsdebatte an. Zwickel sagte, mit dem jüngsten Tarifabschluss zum Ausstieg ab 60 und der vorläufigen Festschreibung der 35-Stunden-Woche habe die Gewerkschaft aktuell kein herausragendes Mobilisierungsthema mehr. Doch sei der Eindruck falsch, der IG Metall fehlten nun die großen Ziele. "Es wird in den kommenden zwei Jahren keinen tarifpolitischen Stillstand geben", kündigte der Chef von Europas größter Gewerkschaft an. Die Gesellschaft habe sich in den vergangenen Jahren rasant verändert und die IG Metall suche nun eine Antwort darauf. Das beginne bei der stärkeren Individualisierung und reiche bis zu einer veränderten Einstellung gegenüber Börse und Aktien. "Das ist eine Volksbewegung geworden", sagte Zwickel. Die IG Metall werde deshalb nicht umhin kommen, ihre Position zur Vermögensbeteiligung neu zu definieren. "Da gehören Pensionsfonds genauso dazu wie Aktien."

Für die IG Metall gebe es bei den industriellen Dienstleistungen großen Handlungsbedarf. Wie dort die Arbeitsbedingungen geregelt werden, zeigten die Tarifverträge für die IT-Unternehmen Debis und Infineon. Die innerhalb der Gewerkschaft umstrittenen Vereinbarungen sehen sehr flexible Arbeitszeitbestimmungen, leistungsabhängige Lohnbestandteile und Weiterbildungsrechte vor. "Die IG Metall wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, in welchem Ausmaß der Tarifvertrag weiter differenziert werden muss", forderte der Gewerkschaftschef. Die Kritik der Metaller aus den gutverdienenden Autmobilkonzernen am aktuellen Tarifabschluss liefere dazu die beste Vorlage. Sie zeige, dass die Tarifpolitik unterschiedliche Branchenkonjunkturen berücksichtigen müsse. "Ich bin für ein System von Bausteinen, die an den Flächentarif angedockt werden", sagte Zwickel. Das stelle freilich höhere Anforderungen an die Betriebsräte. Grundsätzlich müsse die IG Metall mehr zum Dienstleister werden, der die Arbeitnehmervertreter berät.

Die Bezirksleiter von Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, Harald Schartau und Berthold Huber, sowie Zwickels Stellvertreter Jürgen Peters hatten sich in jüngster Zeit ebenfalls mit weitreichenden tarifpolitischen Reformvorstellungen profiliert. Alle drei werden als mögliche Nachfolger Zwickels gehandelt, dessen Amtszeit im Herbst 2003 endet. Aus Altersgründen wird der 60-jährige nicht wieder kandidieren. Über seine Nachfolge wollte sich Zwickel nicht äußern. Selbstkritisch meinte der IG-Metall-Chef, bislang habe die IG Metall Reformdiskussionen immer geführt, indem sie einen Kongress veranstaltet habe, um später festzustellen, dass ihre Vorstellung von der Zukunft gar nicht dem entsprach, was viele Menschen erwarteten. Zwickel sagte, er wolle deshalb eine Form finden, die möglichst viele Arbeitnehmer, vor allem Jüngere, beteilige. "Die müssen das Gefühl bekommen: verdammt nochmal, da bricht was auf."

In einer Bilanz der Tarifrunde 2000 bezeichnete Zwickel den Abschluss als "sehr gutes Ergebnis". Die IG Metall habe ihre drei zentralen Ziele erreicht: eine deutliche Verbesserung der Realeinkommen in diesem und dem kommenden Jahr, einen neuen Tarifvertrag für den Ausstieg mit 60 und die Übernahme aller Ausgebildeten für mindestens ein Jahr. Kritik übte Zwickel an der IG Bergbau, Chemie, Energie, die vor der IG Metall moderate Lohnzuwächse und als Beschäftigungsbrücke den Ausbau der Altersteilzeit vereinbart. "Der Chemieabschluss hat der IG Metall ihr Ursprungsmodell zum Ausstieg mit 60 in letzter Konsequenz unmöglich gemacht", sagte Zwickel. Spätestens nach diesem Abschluss hätte kein Mensch mehr verstanden, wenn die IG Metall dafür einen großen Konflikt vom Zaum gebrochen hätte. Dennoch sei die nun vereinbarte Altersteilzeit ein Erfolg. Zwickel: "Die IG Metall hat einen großen Wurf gemacht." Vehement verteidigte er das Bündnis für Arbeit: "Ohne das Bündnis wäre die deutsche Gewerkschaftsbewegung nicht in der Lage gewesen, den Ausstieg mit 60 in dieser Konsequenz zu erreichen."

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