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Wirtschaft: Ungewisser Flug in die Zukunft

Beim Luftfahrtkonzern EADS herrscht Aufruhr – Eigentums- und Wettbewerbsverhältnisse ändern sich

Stuttgart/Paris - Europas größter Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS bewegt sich sechs Jahre nach seiner Gründung auf einen kritischen Punkt der Unternehmensentwicklung zu. Drei Paukenschläge der vergangenen Woche, die zwar direkt nichts miteinander zu tun haben, erschütterten den Konzern. Erst gab es eine bittere Niederlage, weil der französische Alcatel-Konzern seine Satellitensparte an den Rüstungskonzern Thales abgegeben und gleichzeitig seinen dortigen Anteil erhöht hatte. Ein von EADS gleichzeitig angestrebter Einstieg bei Thales kam dabei zunächst nicht zustande – ein herber Rückschlag für die eigenen Rüstungspläne, weil auf dem Heimatmarkt Europa mit Alcatel und Thales ein neuer starker Wettbewerber entsteht.

Nahezu gleichzeitig kündigten die Großaktionäre Daimler-Chrysler und Lagardère ihren ersten Schritt zum Rückzug aus dem Konzern früher als erwartet an, was zumindest die Anleger verunsicherte. Daimler-Chrysler und Lagardère sagten in der vergangenen Woche, sie würden ihre EADS-Beteiligungen jeweils um 7,5 Prozent verringern. Damit würde Daimler-Chrysler nur noch 22,5 Prozent und Lagardère 7,5 Prozent an dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern halten. Unverändert bleibt der Anteil des französischen Staates bei 15 Prozent, wodurch die deutsch-französische Balance auch weiter gewahrt bleibt.

Dann folgte am vergangenen Freitag die Ankündigung des britischen Rüstungskonzern BAE Systems, sich beim Flugzeughersteller Airbus vollständig zurückziehen und seinen Minderheitsanteil an den Haupteigentümer EADS zu verkaufen. „Von der Tatsache waren wir nicht überrascht, wohl aber vom Zeitpunkt“, sagte ein EADS-Sprecher. Auch der größte EADS-Anteilseigner Daimler-Chrysler wusste wohl vom Timing der Briten nichts. Airbus selbst zeigte sich dagegen weniger überrascht: „Um über Vor- oder Nachteile oder mögliche Synergien für Airbus zu sprechen, ist es aber noch zu früh“, sagte eine Sprecherin.

Grundsätzlich ist EADS auf die Übernahme der Airbus-Anteile der britischen BAE gut vorbereitet. „Wir haben für den Fall Rückstellungen von 3,5 Milliarden Euro gebildet“, sagt ein EADSSprecher. Das sei allerdings nicht mit dem Wert des Paketes von BAE gleichzusetzen. Wegen dieser Vorsorge werde es durch den Anteilskauf keine negativen Auswirkungen auf Entwicklungsprogramme und das laufende Geschäft geben.

Bei EADS und in der Branche besteht kein Zweifel daran, dass die historische Chance, Airbus vollständig zu kontrollieren, ergriffen wird. Dass das Geschäft an unterschiedlichen Preisvorstellungen scheitern wird, gilt ebenfalls als unwahrscheinlich. Die Airbus-Verträge sehen ein nach festen Kriterien festgesetztes Verfahren zur Preisfindung vor.

Airbus ist für zwei Drittel des EADS-Konzernumsatzes von 34 Milliarden Euro und den Löwenanteil am Gewinn verantwortlich.

Mit der Ankündigung der Trennung von Airbus ist auch der Rüstungsmarkt in Bewegung geraten. „Die große Frage ist, was macht BAE mit dem Geld“, sagt ein Brancheninsider. Es sei durchaus möglich, dass die Briten mit dem erlösten Kaufpreis ein Unternehmen kaufen, das die EADS am liebsten auch selbst haben würde. Dieses Risiko muss EADS allerdings in Kauf nehmen.

Die große strategische Frage ist jetzt, wie die Rüstungssparte von EADS dieser Herausforderung begegnen wird. Ziel ist seit mehreren Jahren der Ausbau des US-Geschäfts, dem größten Rüstungsmarkt der Welt. Die mehrheitlich von US-Investoren kontrollierte BAE hat aber hier eindeutig die Nase vorn. Als künftig lupenreiner Rüstungshersteller haben die Briten ihre Position mit dem Ausstieg bei Airbus weiter verbessert.„Wir sind mit der Entwicklung unserer Militärsparte zufrieden“, sagte ein EADS-Sprecher dazu. „EADS muss über seine Struktur nachdenken. Es gibt nicht genug Synergien zwischen Flugzeugbau und den Rüstungsgeschäften“, sagt dagegen Christopher Dabrowski, Rüstungsanalyst bei der Beratungsfirma Frost & Sullivan.

Laut Analysten von Cheuvreux wiegt EADS im Verteidigungsgeschäft nicht schwer genug. Dieses Geschäft macht nur 20 Prozent des Konzernumsatzes aus. EADS hat sich das Ziel gesetzt, innerhalb von fünf Jahren den Anteil auf 30 Prozent zu steigern. Konkurrent Boeing dagegen macht die Hälfte seines Geschäfts mit Rüstungsgütern und ist deshalb weniger abhängig vom Flugzeugabsatz. Doch mit der künftig vollständigen Kontrolle über Airbus hängt der Konzerngewinn noch stärker vom Airbus-Geschäft ab – ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Auch Boeing behauptet sich derzeit wieder im Geschäft mit Zivilflugzeugen. „Diese Schlacht ist hart“, sagt Analyst Jean-Michel Salvador von Fideuram Wargny.HB

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