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Das Verwaltungsgericht Stuttgart hält Fahrverbote für unvermeidlich.

© dpa

„Unser System ist einzigartig in der Welt“: IG Metall will unbedingt Fahrverbote vermeiden

Fahrverbote für schmutzige Diesel-Fahrzeuge? Das gilt es zu vermeiden. Das will die Autoindustrie vermeiden. Die IG Metall setzt auf Nachrüstungen.

Herr Zitzelsberger, ist es sinnvoll, sich mit Gaunern an einen Tisch zu setzen?

Welche Gauner meinen Sie? Von den Teilnehmern des Treffens am kommenden Mittwoch ist niemand rechtskräftig verurteilt. Unabhängig von potenziellen Verfehlungen bleibt die Autoindustrie in unserem Land eine extrem wichtige Größe. Wir leben ja in keiner Bananenrepublik, und deshalb müssen die relevanten Akteure miteinander reden.

Was sind die Erwartungen der IG Metall?

Zentral ist die verbindliche und überprüfbare Nachbesserung der Euro-5-Diesel in einem klar definierten Zeitrahmen. Von den 15 Millionen Diesel-Pkw hierzulande fallen rund 40 Prozent unter die Euro-5-Norm. Diese Autos müssen so sauber werden, dass wir Fahrverbote auch in besonders belasteten Innenstädten vermeiden können.

Und dazu reichen die Software-Updates?

Offenbar ja. Unabhängige Tests haben ergeben, dass die Abgase im Einzelfall sogar um bis zu 80 Prozent reduziert werden konnten. Ich bin kein Ingenieur, aber grob gesagt ist bei Euro 5 eine Abgasbehandlung durch Nachjustierung von Harnstoff und des sogenannten Thermofensters möglich. Beides zusammen kann zu einer wirksamen Reduktion führen. Wenn wir das flächendeckend erreichen, dann kann das auch für Innenstädte so wirksam sein wie Fahrverbote.

Roman Zitzelsberger sagt: Vorrangiges Ziel ist die Vermeidung von Fahrverboten.
Roman Zitzelsberger sagt: Vorrangiges Ziel ist die Vermeidung von Fahrverboten.

© IG Metall/Frank Rumpenhorst

Bislang haben nur Daimler und VW entsprechende Ankündigungen gemacht.

Alle Hersteller müssen mitmachen. Also nicht nur die deutschen Hersteller, sondern auch die ausländischen Unternehmen, die hierzulande Diesel verkaufen. Die Verantwortung liegt bei der gesamten Industrie. Sie hätte schon viel früher die Euro-5-Technik nachrüsten können.

Die Politik hat sie in Ruhe gelassen.

Auch deshalb ist das Thema ja vor den Gerichten gelandet. Die Frage, welche Autos wann fahren dürfen, darf man aber nicht den Gerichten überlassen.

Was erwarten Sie von der Politik?

Das Thema ist so wichtig, dass man es nicht im Wahlkampf zerlegen sollte. Die Nachrüstung muss in Summe so erfolgreich sein, dass Euro-5-Fahrzeuge weiter in die Innenstädte fahren dürfen – das ist die zentrale Verabredung, die am Ende des Diesel-Gipfels stehen muss. Millionen Menschen sind auf ihr Fahrzeug angewiesen. Sollte es dennoch nicht ohne Einfuhrbeschränkungen gehen, braucht es ein bundesweites Steuerungsinstrument wie etwa die Blaue Plakette.

Und was bringt der Fonds, den Industrie und Bundesregierung schaffen wollen?

Der betrifft eher die Zukunft und die Autos unterhalb der Euro5-Norm. Da könnte man sich Maßnahmen überlegen, diese Fahrzeuge schneller aus dem Verkehr zu ziehen. Ferner könnten mit Fondsmitteln der öffentliche Personennahverkehr und die Digitalisierung des Verkehrs gefördert werden oder auch die Umrüstung von Bussen und Lkw. Die kommende Bundesregierung sollte sich um eine vernünftige Flankierung des Transformationsprozesses bemühen, in dem sich die Autoindustrie befindet. Wir haben in dieser Schlüsselbranche ein vernetztes System, das auf der Welt einzigartig ist – von Forschung und Entwicklung über Hersteller und Zulieferer bis zu Vertrieb und Services. Nur ein Beispiel: Die Hälfte des deutschen Werkzeugmaschinenbaus hängt am Verbrennungsantrieb.

Hat dieses „System“ nicht erst Dieselgate und mutmaßliche Kartelle ermöglicht?

Jedes gute System braucht Kontrolle und ein Mehr-Augen-Prinzip, weil immer die Gefahr besteht, dass man Dinge nicht kritisch genug hinterfragt. Deshalb ist der Blick der Umweltschützer auch wichtig. Künftig muss regelkonformes Arbeiten noch mehr eine Selbstverständlichkeit sein – und damit meine ich auch, bei technischen Innovationen den Ehrgeiz zu haben, Grenzwerte zu unterschreiten anstatt ihnen hinterherzulaufen. Die Industrie hat jetzt eine Lehrstunde erlebt, aus der wir am kommenden Mittwoch Konsequenzen ziehen werden. Und damit hoffentlich erstmal einen Schlusspunkt setzen unter die Dieseldiskussion.

Roman Zitzelsberger ist Chef der IG Metall in Baden-Württemberg, der Kernregion der deutschen Autoindustrie. Zitzelsberger sitzt auch im Daimler-Aufsichtsrat.

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