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Achim Berg

© Mike Wolff

Achim Berg, Microsoft: "Der Fernseher ist tot, er weiß es nur noch nicht"

Microsoft-Deutschland-Chef Achim Berg über den Konkurrenten Google, neue Software und sein total vernetztes Zuhause.

Herr Berg, das neue Betriebssystem Windows 7 und die Suchmaschine Bing haben viel Lob bekommen. Was ist passiert bei Microsoft?

Vor etwa drei Jahren – da war ich ganz neu im Unternehmen – hat es ein Meeting mit Microsoft-Chef Steve Ballmer und den Führungskräften gegeben. Es wurde diskutiert, wie Microsoft sich ausrichtet, und Steve Ballmer hat seine Vision umrissen, wie er Microsoft in Zukunft sieht. Das Meeting hat 21,5 Stunden gedauert.

Wie lange?
21,5 Stunden, durchgehend, ohne Pause. Es ging um die Frage: Wie wird Microsoft für den Konsumenten wieder relevant, wie stellt sich Microsoft auf und schließlich auch, wie steuere ich den Computer der Zukunft? Seither werden einige Dinge anders gemacht. Vor allem haben wir gelernt, den Nutzern zuzuhören. Die haben wir ganz konkret gefragt: Was können wir besser machen? Ein Resultat ist Windows 7.

Welche Verbesserungen wollten die Nutzer denn?

Ein einfaches, schnelles Betriebssystem, das ihnen hilft, ihre Aufgaben zu erledigen. Seit Februar haben Millionen von Testern ihre Rückmeldungen zu Windows 7 gegeben, auch aus Deutschland. Es gab viele Vorschläge, auch Kleinigkeiten, die wir dann bewusst eingearbeitet haben. Auch ich habe Feedback gegeben. Ich wollte, dass der Fortschritt eines Downloads in einem Balken in der Leiste unten dargestellt wird. Das gibt es jetzt.

Und wie wird der Computer der Zukunft gesteuert?
Maus und Tastatur gehören der Vergangenheit an. In einem Prototypen, wir nennen ihn Natal, zeigen wir wie man einen Computer allein mit Gesten, Mimik und Sprache steuert. Das ist wirklich eine Sensation.

Es klingt nach einer Spielerei…
Nein. Wir werden die Technik zwar zuerst auf der Spielkonsole sehen. Aber Natal ist weit mehr als das. Es ist im Prinzip eine interaktive Steuerung des Computers. Auch dazu ein Beispiel: Ich kann mir vorstellen, dass ich irgendwann in mein Wohnzimmer komme, auf meinen Fernseher schaue, und der sagt zu mir: Hallo Achim, was möchtest Du sehen? Dann macht er mir Vorschläge, und ich kann ihm sagen oder durch Gestik und Mimik einfach zeigen, was ich möchte.

In der Welt von Microsoft steht der PC im Zentrum. Heute kommen immer mehr Anwendungen direkt aus dem Netz. Wie reagieren Sie darauf?
Wir sind überzeugt, dass beide Modelle neben einander existieren werden, Es ist sinnvoll, rechenintensive Programme auf dem Computer zu haben. Sie können sie aber mischen und ergänzen mit Anwendungen im Netz. Diese Vernetzung von lokaler Intelligenz plus Informationen aus dem Internet, das setzt sich gerade durch. Das ist die Zukunft. Wir nennen es Software plus Services.

Andere Unternehmen setzen fast gänzlich auf Anwendungen aus dem Netz...
... und sind damit nicht erfolgreich. Erstens hat man manche Dinge gern bei sich. Viele persönliche und private Sachen legt man nicht gern irgendwo im Netz ab. Meine Musiksammlung zum Beispiel, die habe ich lieber zu Hause auf meinem Rechner. Zweitens hat man natürlich gern die Rechenleistung von lokalen Applikationen. Bildbearbeitung etwa ist im Netz gar nicht möglich. Hinzukommt: Man ist ja nicht immer online.

Viele Anwendungen, für die man bei Microsoft bezahlen muss, bekommt man bei Google und anderen kostenlos. Müssen Sie Ihre Produkte bald auch verschenken?
Das ist ein schlechtes Geschäftsmodell.

Bei Google läuft es ganz gut.

Google macht sein Geschäft mit suchbasierter Werbung. Wir mit leistungsfähiger Software. Das läuft auch ganz gut.

Dennoch verdirbt Google mit kostenlosen Produkten die Preise…

Es geht nicht um alles oder nichts: Wir werden mit unserer Bürosoftware Office 2010, die im nächsten Jahr auf den Markt kommt, auch online-basierte einfache Dienste anbieten. Die sind für Privatkunden werbefinanziert und damit kostenlos, während Unternehmen weiterhin für leistungsfähige Anwendungen Lizenzen erwerben. Im übrigen ist auch dem Konsumenten zunehmend wichtig, dass die Sicherheit und der Schutz seiner Daten gewährleistet ist.

Am 22. Oktober kommt Windows 7. Mit wie vielen Nutzern rechnen sie?

Windows 7 wird überall sehr positiv aufgenommen. Über eine Million Leser von Chip online haben Windows 7 während der IFA zur beliebtesten Software gewählt. Die Marktforscher erwarten bei Windows 7 im kommenden Jahr 170 Millionen Installationen. Zum Vergleich: In den ersten zwölf Monaten waren es beim Betriebssystem Vista etwa 140 Millionen – und Vista war schon sehr stark.

Mit der Suchmaschine Bing fordern Sie Google direkt heraus. Mit Erfolg?
Die Nutzerzahlen steigen. Bis jetzt ist Bing in der ganzen Breite erst in Amerika auf dem Markt. In Deutschland ist Bing noch in der Erprobungsphase. In den kommenden Monaten werden immer mehr Funktionalitäten frei geschaltet. Was die Leute an Bing so mögen, ist diese Startseite mit dem tollen Bild.

Das Bild ist wichtig?
Es ist immer das Erste, was die Leute sagen: Ich mag das Bild. Und das Zweite ist: Ich mag das aufgeräumte Suchfenster. Wir sagen, Bing ist keine Such-, sondern eine Entscheidungsmaschine. Es ist eine sehr moderne, intuitive Bedienung. Das hat kein anderer so.

Googeln Sie noch?
Schon lange nicht mehr.

Woran arbeitet Microsoft sonst noch?

Die Konsumenten erwarten, dass es einen barrierefreien Übergang zwischen verschiedenen Geräten gibt. Man macht keinen großen Unterschied mehr zwischen PC, Mobiltelefon und Fernseher. Die Strategie heißt Drei-Bildschirm-Lösung: Auf allen drei Geräten werde ich das Gleiche machen können, und die Nutzererfahrung wird überall die gleiche sein. Ein Baustein ist Windows Mobile 7, das neue Betriebssystem für mobile Geräte, das im Frühjahr kommt. Insgesamt werden die Geräte immer intuitiver zu bedienen sein, sehr einfach zu installieren und sehr einfach zu vernetzen.

Das wurde schon so oft versprochen.
Ja, genau. Und jetzt lösen wir es ein. Auf der Ifa kann man die Produkte schon sehen: Die Fernseher werden immer interaktiver und immer mehr zu einem PC. Der klassische Fernseher ist tot, er weiß es nur noch nicht. Das Gerät ohne Internetanschluss und Betriebssystem, wird es in fünf Jahren nicht mehr geben. Der Fernseher wird also vernetzt. Und der riesige Unterschied zu vor drei Jahren ist, dass die Vernetzung der Geräte jetzt standardisiert ist und damit ganz einfach.

Wer will wirklich ein vernetztes Zuhause?

Ich zum Beispiel. Ich lebe in einem Smart-Home, habe alles selbst installiert und bin immer schon einen Schritt weiter als das, was es auf dem Markt schon gibt. Die multimediale Vernetzung, von Bildern, Videos, Musik und Internet, das ist ja bereits marktfähig. Aber ich steuere auch meine Heizung, meine Photovoltaikanlage, meine komplette Haussteuerung über den PC. Wenn im Haus deutlich mehr Strom verbraucht wird als normal, bekomme ich eine Nachricht. Ich habe online Zugriff auf meine Solarzellen. So kann ich mir ansehen, wie die Stromproduktion des Tages, der Woche, des Monats war. Ich kann jedes Gerät, jede Steckdose über Handy ein- und ausschalten. Ich gebe zu, das ist heute etwas für Enthusiasten. Das wird sich ändern.

Ist Ihre Familie auch so begeistert?
Die Skepsis weicht dann, wenn sie die den konkreten Nutzen spüren. Ein Beispiel: Sie schauen Fernsehen und drücken auf eine Taste, das Fernsehen geht aus. Eine halbe Stunde später drücken Sie in einem irgendeinem anderen Raum auf eine andere Taste und das Programm geht an genau der gleichen Stelle weiter. Das sind Themen, an die gewöhnt man sich sehr schnell. Und da hat auch die Familie Spaß daran. Man darf es nur nicht übertreiben.

DER KONZERN
Microsoft ist der größte Softwarehersteller der Welt. Mit 93 000 Mitarbeitern setzte der US-Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr 58,4 Milliarden Dollar um – drei Prozent weniger als im Jahr zuvor. Es war das erste Umsatzminus seit 23 Jahren. In Deutschland hat Microsoft 2500 Mitarbeiter.

DER MANAGER
Achim Berg (45) ist seit 2007 Deutschland-Chef von Microsoft. Zuvor verantwortete der Informatiker im Vorstand der T-Com fünf Jahre lang Marketing und Vertrieb des Telekom-Festnetzes. Berg ist verheiratet und hat einen Sohn.

Das Gespräch führt Corinna Visser

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