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Energiewirtschaft: Riesengeschäft mit der Atomkraft

Hierzulande ist der Neubau eines Atomkraftwerks derzeit undenkbar. Eon und RWE investieren daher im Ausland.

Düsseldorf - Die Äußerungen des Präsidentschaftskandidaten müssen in den Ohren der Atomindustrie wie Musik geklungen haben: Bis zum Jahr 2030 will der Republikaner John McCain landesweit 45 neue Kernkraftwerke bauen lassen – falls er der nächste Präsident der USA wird. Es seien sogar 100 neue Reaktoren vorstellbar. Auch andere Länder wie Großbritannien planen wieder Kernkraftwerke. Premierminister Gordon Brown sieht bis 2050 einen Bedarf von 1000 Reaktoren weltweit. In Indien, China, Russland oder Osteuropa werden konkrete Pläne verfolgt. Christopher Weßelmann, Chefredakteur des Fachmagazins ATW, zählt neben 33 Anlagen, die schon im Bau sind, 40 fest vereinbarte Projekte. Dazu kommen noch rund 100 Ankündigungen. Der japanische Konzern Toshiba hat bis 2020 den Bau von 65 neuen Reaktoren avisiert. Begünstigt durch die CO2-Debatte bahnt sich ein Umschwung für die Atomindustrie an. Hierzulande ist der Neubau eines Atomkraftwerks derzeit undenkbar. Die Versorger sind an den Ausstiegsbeschluss aus der Kernenergie gebunden, den sie 2000 mit der damaligen rot-grünen Bundesregierung ausgehandelt haben und der jedem Reaktor eine durchschnittliche Laufzeit von 32 Jahren zubilligt. Allenfalls können sie nach einem Regierungswechsel auf eine Verlängerung der Laufzeiten hoffen. Nach jetzigem Stand geht 2022 der letzte Reaktor vom Netz.

Deshalb orientieren sich die deutschen Unternehmen gen Ausland. Für die Energiekonzerne Eon und RWE ergeben sich in Europa einige konkrete Möglichkeiten. RWE stellte in der vergangenen Woche den Antrag für ein neues Kraftwerk in Bulgarien. Nach langen Sondierungen reichte der Konzern ein verbindliches Gebot für eine 49-Prozent-Beteiligung am geplanten Reaktor Belene ein. Rund vier Milliarden Euro soll die 2000 Megawatt starke Anlage kosten. Neben Belene ist RWE auch an einem Projekt in Rumänien interessiert. Noch in einer frühen Phase sind Pläne für ein Atomkraftwerk in Litauen.

Eon hatte sich in Bulgarien zwar vergeblich beworben, verfolgt aber in Finnland schon ein konkretes Projekt. Vor einem Jahr gründete der Konzern dort mit mehreren skandinavischen Partnern das Konsortium Fennovoima, um gemeinsam ein neues Atomkraftwerk zu bauen.

Und schließlich werden die beiden deutschen Konzerne wie fast alle europäischen Versorger von Großbritannien gelockt. Dort hat die Regierung mit der Ankündigung, wieder im großen Stil neue Anlagen bauen zu wollen, die Branche elektrisiert. Bis 2020 sollen rund zehn neue Kraftwerke entstehen. Rund 30 Unternehmen meldeten ihr Interesse an. RWE hatte sich zwischenzeitlich sogar für eine Übernahme von British Energy, dem größten Nuklearkonzern des Landes, interessiert, das Übernahmeverfahren ist aber festgefahren.

Mit ihren Plänen im Ausland wollen die deutschen Energiekonzerne trotz des Atomausstiegs im Inland ihr breites Spektrum in der Stromerzeugung beibehalten. Gleichzeitig hilft die Investition in die emissionsfreie Technik die CO2-Bilanz zu verbessern. „Wir sehen eine extreme Bereitschaft im europäischen Ausland, in die Technologie einzusteigen oder zumindest die Kapazitäten zu halten“, sagte Bernhard Fischer, Eons Kraftwerkechef, dem Handelsblatt.

Eon ist bei seinen Atomplänen nach Einschätzung von Branchenexperten schon ein kluger Schachzug geglückt. Der Energiekonzern schloss mit den Anlagenbauern Siemens und Areva ein Bündnis zum Bau von Kernkraftwerken und zur Weiterentwicklung der Technik. Er sicherte sich so im Wettbewerbsumfeld frühzeitig Kapazitäten.

Auch Frankreich hat sich für den verstärkten Einsatz von Kernenergie ausgesprochen. Außenminister Bernard Kouchner sagte dem „Handelsblatt“: „Es ist unbestritten, dass Kernenergie dabei hilft, die Abhängigkeit von externen Energiequellen zu verringern und damit den Druck von den Rohstoff-Märkten zu nehmen. Gleichzeitig wird der Ausstoß von CO2-Gasen reduziert.“ ali/juf (HB)

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