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Frohe Kunde. Die Ministerin präsentiert die guten Zahlen persönlich. Foto: rtr

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Ursula von der Leyen: Die Ministerin und ihr Markt

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat es mit der guten Nachricht eilig – doch ihr bleibt noch viel zu tun.

Berlin - Kein halbwegs machtbewusster Politiker lässt einen Verwaltungsbeamten die beste Nachricht seit langem verkünden. Schon gar nicht Ursula von der Leyen (CDU), die politikmäßig noch einiges vorhat, und schon gar nicht, wenn es um Zahlen vom Jobmarkt geht. „Wir haben exakt zwei Millionen neunhundertfünfundvierzigtausend Arbeitslose“, berichtet sie denn auch langsam und genüsslich am Mittwoch in Berlin. Am Donnerstag, dem eigentlichen Veröffentlichungstermin, sei die Ministerin verhindert, lassen ihre Leute wissen, deshalb habe man den Termin vorziehen müssen, leider. Für Frank-Jürgen Weise, der derartige Nachrichten als Chef der Bundesarbeitsagentur eigentlich überbringt, bleibt nur noch detailreicher Statistiksalat.

Unter den vielen Rekorden, die die deutsche Wirtschaft derzeit aufstellt, ist das Knacken der Drei-Millionen-Grenze der beachtlichste. Das letzte Mal war sie im November 2008 gefallen, 2,988 Millionen waren damals ohne Job. Das aber war angesichts der heranbrausenden Krise eine Momentaufnahme. Der neue Wert ist vor allem erstaunlich, weil die Wirtschaft erst 2009 in der tiefsten Rezession seit 60 Jahren um 4,7 Prozent geschrumpft war. Zu der Zeit hatten selbst Optimisten bestenfalls eine mehrjährige Stagnation nach den Turbulenzen erwartet – aber keinen Aufschwung im Raketentempo.

Ursula von der Leyen weiß, wem die Regierung die niedrigste Arbeitslosenzahl seit 18 Jahren zu verdanken hat. „Die Tarifparteien, die Regierung Merkel und die Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit“ nennt sie als Urheber des Erfolgs, die mit dem Einsatz von Kurzarbeit und den Konjunkturpaketen die Beschäftigung stabil gehalten hätten. Und eine Folge der Arbeitsmarktreformen der Regierung Schröder sei es, dass sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen in den vergangenen vier Jahren halbiert hat, fügt sie später noch hinzu – freilich ohne den Namen des Ex-Kanzlers in den Mund zu nehmen.

Tatsächlich ist der höhere Druck auf Beschäftigungslose, etwa durch die Befristung des Arbeitslosengeldes oder das Absenken der Arbeitslosenhilfe, ein Schlüssel für die Entwicklung. Hinzu kommt, dass die Gewerkschaften den Spielraum für Lohnerhöhungen in den vergangenen Jahren oft nicht ausgeschöpft haben.

Ein Trick der Statistiker sind die Oktober-Zahlen vom Arbeitsmarkt schon gar nicht, sagt Joachim Möller, als Chef des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der renommierteste Jobforscher des Landes. „Erstmals seit sehr langer Zeit wird die Unterbeschäftigung 2011 unter die Vier-Millionen-Grenze fallen“, erwartet er. Diese Marke spiegelt die tatsächliche Lage auf dem Jobmarkt und zählt auch jene als arbeitslos, die sich gerade weiterbilden lassen, kurzarbeiten oder schon in Altersteilzeit sind. Anders als bei offiziellen Daten kann die Politik diese Zahl nicht frisieren.

Für von der Leyens Chefin, Angela Merkel, muss es gleichwohl befremdlich sein, dass der Tiefstand der Arbeitslosigkeit mit dem Tiefstand ihrer Popularität zusammenfällt. Als sie am 22. November 2005 ihr Amt antrat, lag die Zahl der Joblosen um 1,5 Millionen höher. Doch eitel Sonnenschein ist längst nicht auf dem Arbeitsmarkt. Während Gebildete gut verdienen, verfallen die Löhne von Geringverdienern. Während im Süden Vollbeschäftigung herrscht, sind die Arbeitslosenquoten im Osten deutlich zweistellig. Während Betriebe um Fachkräfte zanken, langweilen sich Ungebildete.

Der Arbeitsministerin ist klar, dass sie sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen kann. Eigens für diesen Tag hat sie ein Plakat drucken lassen. „Weniger als drei Millionen Arbeitslose wollen wir nicht feiern, sondern in Arbeit bringen“, steht etwas ungelenk darauf. Auch in Zukunft will sie noch gute Nachrichten verkünden, soll das wohl bedeuten. Carsten Brönstrup

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